1855 -
Mülheim am Rhein
: Prior
- Autor: Wellenbeck, Emil
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Jetzt, da er dem Sänger in's
Auge sab,
Da ergreift ihn der Werte Bedeuten.
Die Züge des Priesters erkennt
er schnell
Und verbirgt der Thränen stür-
zenden Quell
In des Mantels purpurnen Falten.
Und Alles blickte den Kaiser an
Und erkannte den Grafen, der das
gethan,
Und verehrte das göttliche Walten.
F r i e d r. Schiller.
14. Albrecht der Grsle und die freie Schweiz.
Albrecht I., der Sohn Rudolphs, war ein thätiger,
entschlossener und tapferer Fürst, wie sein Vater. Aber
es fehlte ihm seines Vaters Milde, Leutseligkeit und
Freundlichkeit. Sein Vater hatte nicht bloß Länder, son-
dern auch Herzen zu gewinnen gewußt. Albrecht wollte
vor allen Dingen Länder besitzen und herrschen. Die
habsburgischen Stammgüter lagen in der Schweiz und
waren ein Theil der jetzigen Schweizerkantone. Andere
Theile der Schweiz, besonders die sogenannten Waldstädte
Uri, Schwyz und Unterwalden waren freie Glieder
des deutschen Reiches und standen unter keinem Herrn,
als unter dem Kaiser. Der Kaiser Albrecht ließ den
freien Schweizern den Antrag machen, sich vou dem deut-
schen Reiche loszusagen und sich ganz unter den Schutz
des Hauses Oestreich zu begeben. Da die Schweizer hier-
von nichts wiffen wollten, setzte Albrecht ihnen ein paar
Land- oder Reichsvögte, die sie hart drückten, damit sic
am Ende aus Noth sich entschließen möchten, seinen Wil-
len zu thun und östreichische Unterthanen zu werden. Be-
sonders soll einer dieser Landvögte, Hermann Geßler
mit Namen, ein stolzer und boshafter Mann gewesen sein.
Man erzählt, er habe zu Altdorf eine Stange mit einem
Hut aufstellen lassen, mit dem Befehle, demselben eben
solche Ehre zu erweisen, als seiner eigenen Person. Wil-
helm Tell, ein Landmann aus Bürgten im Kanton
Uri, der weit und breit als tapferer Schütz bekannt war,
weigerte sich, den Hut zu grüßen. Er wurde sogleich er-
griffen, und in seinem Uebermnthe verurtheilte ihn der
schadenfrohe Tyrann zu der Strafe, einen Apfel vom