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1. Deutsches Lese- und Sprachbuch für die Oberstufen der Volks- und Bürgerschulen - S. 95

1854 - Leipzig : Brandstetter
95 tiefen, klebrig-dickmusigen Schlamme, daß im Herbste zuweilen geradezu aller Verkehr in den Marschen aufhört. Muß man reisen, so ist man zufrieden, wenn man zwei Stationen an einem Tage zurücklegt. Obwohl ich die Marschen schon oft gesehen hatte, überraschte mich doch auch hier wieder der Anblick dieser eigenthümlichen Bodengestal- tung. Vor mir, zur Rechten und zur Linken, lagen unabsehbare Wiesen- fluren, in der Rahe und Ferne mit Heerden weidender Rinder bedeckt; selbst von den entlegensten Weiden schimmerten noch wie Wiesenblümchen die bunten Rücken der Ochsen und Kühe. Wie die Rinder, so sind auch die Wohnungen der Leute weit und breit verstreut. Sie liegen auf künstlich errichteten Hügeln von 10 bis 15 Fuß Höhe, die „Wurten" (anderwärts „Warfen", auch „Warten") genannt werden, und die den Bewohnern und allen ihren Habseligkeiten als Zufluchtsorte bei großen Ueberschwemmungen dienen. Auf solchen Wurten wohnen nicht nur Friesen, sondern überhaupt alle Leute an der ganzen Küste von Schles- wig und Holsteiii/bis nach Hamburg hin, an allen Ufern der untern Elbe und Weser, der Jahde, der Ems und in einem großen Theile der Niederlande. Wie Burgen ragen die Hügelwohnungen aus dem Grasmeere hervor, und man sieht bis weit an die Grenze des Hori- zonts noch viele solcher Burgen auftauchen. Aus diese Wurten wird auch Alles mit hinauf gezogen, was die Feuchtigkeit der Wiesengründe nicht verträgt, namentlich der Gemüse- garten. Kohl und Rüben werden überall an den Abhängen dieser Hügel gebaut. Im Sommer sind die Wurten 'alle von dem in der Blüthe stehenden Senfsamen gelb gefärbt. Auch steht hier und da ein Baum auf dem Gipfel des Hügels neben dem Hause. Sonst ist in der Marsch selbst nirgends ein Busch oder Baum zu erblicken. Die Häuser sind hier in einem ganz anderen Style gebaut, als auf der Geest: sie sind nur einstöckig, lang, von Ziegeln, ohne vielen Holzaufwand, wie in Holland, und über den niedrigen Thüren ist immer ein kleiner, schmaler Dogen, der schneeweiß angekalkt ist, der einzige übertünchte Streifen am ganzen Hause. Neben den Thüren findet man immer zwei eiserne Ringe eingeschlagen, um Reitpferde daran anzubinden; denn bei der argen Weglosigkeit der Marsch im Herbst und Winter reiten die Be- wohner lieber zu einander, selbst die Weiber, die von ihren Männern hinten aus das Kreuz des Pferdes genommen werden. Einen eigenthümlichen Zug bilden in der Landschaft die Deiche, die sich in langen Linien durch die Wiesen strecken. Man unterscheidet sie in Binnen- und Haf- oder Seedeiche. Mit dem- letztern Namen wird der äußere Deich, der gegen die See schützt und unmittelbar an der Küste hinläuft, bezeichnet. Wenn das Land nach dem Meere zu anwächst, und dann durch seine Eindeichung ein neuer „Hafdeich" ent- steht, so wird der alte dadurch ein Binnendeich; denn man läßt diese bestehen, weil ihre Wegschaffung sehr kostspielig sein würde, und weil sie auch beim etwaigen Durchbruche des Hafdeiches doch noch schützen können. — Weil die Deiche meistens erhaben und daher trockener find,
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