1843 -
Potsdam
: Riegel
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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breitet, daß ihr auch andere, aus welchen noch gute Menschen
werden könnten, zu dieser Lebmsart verführt; das habt ihr gegen
den Staat, gegen mich und gegen alle Rechtschaffenen zu ver-
antworten, und Diogenes wird der erste sein, der diesen euren
Unfug vor Gericht bringt, wenn ihr ihn fortsetzt. Vergiß nicht,
auch dieses dem Klinias und deinen übrigen Freunden zu hin-
terbringen.
»Komm, mein Lieber,« fuhr er fort, indem er sich zu seinem
Gefährten wandte, »unser Werk ist hier vollbracht; länger dürfen
wir uns an einem solchen Orte nicht aufhalten. Du, Tenophant,
lebe wohl, wenn du kannst, und vergiß nicht meine Bestellung
an deine Freunde.«
Tenophant wußte nicht, wie er sich bei dieser Rede geberden
sollte, und Diogenes verließ ihn in aller der Verwirrung, welche
das böse Gewissen in solchen Fällen allemal und ganz unausbleib-
lich hervorbringt.
»Du siehst, mein Bester,« sagte er zu seinem jungen Freunde,
als sie wieder auf der Straße waren, »es ist, wie ich dir sagte.
Was ich dir durch den Augenschein zu beweisen versprach, hätte
ich dir so ziemlich bewiesen. Was ich dir aber nicht beweisen kann,
und was du mir gleichwohl nicht weniger glauben mußt, ist dieses,
daß, wenn anders mehrere deinesgleichen bei diesem Gastmahle ge-
wesen sind, mancher von ihnen zugleich seine Unschuld verlorm,
jeder andere aber sich in dem Netze der Wollust von neuem so fest
verstrickt hat, daß er sich vielleicht niemals wieder daraus loswickeln
kann. Und dieses, mein Bester, ist eben die gefährliche Seite dieser
Vergnügungen, der ich heute früh nur obenhin erwähnte; dieses
ist cs, wodurch die Zusammenkünfte dieser Herren, die sie feine
Abendmahlzeiten zu nennen pflegen, für die Tugend eben so gefähr-
lich werden, als sie für die Gesundheit zerstörend sind. Vergieb
mir also, daß ich dich auf eine fast unhöfliche Art davon abge-
halten habe.«
»Nicht so, Diogenes,« antwortete der Jüngling, indem er
seine Hand zärtlich drückte, »nicht so, wenn du nicht willst, daß
ich, im Gefühl deiner Güte für mich, mich meiner selbst schämen
soll. Vergieb du mir, bester, gütiger Mann, daß ich auch nur
einen Augenblick deshalb auf dich ungehalten sein konnte; denn ich
sehe nun wohl, daß ich auf einem sehr gefährlichen Wege war,
da ich bloß auf dem Wege zum Vergnügen zu sein glaubte.«
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