1831 -
Brandenburg
: Wiesike
- Autor: Rochow, Friedrich Eberhard von
- Hrsg.: Türk, W. E. von
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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72. Das Gewitter.
Leopold war mit Wilhelm einst zur Arbeit auf dem
Felde, da kam ein Gewitter nnt starken Blitzen und
Donnerschlägen. Leopold sagte: „Komm,'Wilhelm, laß
„uns laufen, dort sieht ein hohler Baum, darin wollen
„wir uns vor dem Gewitter verbergen. Mir wird ganz
„angst vor dem Donner und Blitz." Wilhelm sprach:
„Nein, so unverständig bin ich nicht. Unter Bäume zu
„treten, die oben dürre Zacken haben, wie dieser, ist
„nicht gut bei einem Gewitter. Denn der Blitz fahrt
„gern an solchen Baumen herunter. Das Gewitter ist
„eine Wohlthat Gottes; es macht durch warmen Regen
„das Land fruchtbar und reinigt die Lust. Wenn ich
„auch naß werde, mein Zeug wird bald wieder trocken,
„und unter freiem Himmel ist weniger Gefahr, als in
„dem bohlen Baume. Oder meinst du, wenn Gott mei-
„nen Tod beschlossen hätte, daß ich ihn dann durch den
„hohlen Baun: abhalten würde?" Leopold ließ sich durch
die Unerschrockenheit Wilhelms, welche auf vernünftige
Gedanken gegründet war, bewegen, und blieb bei ihm.
Als sie noch redeten, da schlug der Blitz in den hohlen
Baum, worin sich Leopold verbergen wollte. Da fiel
Leopold, als er sich vom Schrecken erholt hatte, Wilhel-
men um den Hals, und dankte ihm. „Lieber Wilhelm,
„du hast mir mein Leben gerettet!" rief er. „Nur halb,"
sprach Wilhelm, „denn deiner Folgsamkeit gegen meine
„Vorstellungen gebührt die andere Hälfte."
Furcht vermehrt allemal die Gefahr.
Der Furchtsame leidet doppelt, nämlich von wirkli-
chen und eingebildeten Gefahren, und weiß sich vor
Angst nicht zu helfen, wenn auch noch Rettungsmittel
für ihn da wären.
73. Von den Vorzügen des Landlebens.
Ein Bürger ging einst im Frühling nach c^eni Dorfe.
Gegen Abend kam ein gewaltiger Regen, und er ge-
traute sich nicht, in dem Regen nach Hause zu
sondern blieb in dem Dorfe. Nach kurzer Zeit trat
Hauswirth mit seinem Sohn herein, die von der Arbeit