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1. Für mittlere Klassen - S. 99

1868 - Halle : Buchh. des Waisenhauses
99 hinter die Breterwand des Schiffes und hüllte mich in meinen Schupp penpelz. „Wenn der Wind nachläßt, werden wir heute nicht in unserem Bette schlafen," — meinte einmal Ulrich. — „„Weshalb?"" — Er schwieg; ich konnte mir die Frage aber selbst beantworten. Der Wind ließ es zu keiner zusammenhängenden Eisdecke kommen, während das Wasser allerdings zusehends gerann. Ließ der Wind nach, so blieben wir im Eise stecken. Auf dem ganzen Haff war weit und breit kein Schiff sichtbar. Es gab einen Augenblick, wo unsere Situation mir bedenklich vorkam. Indeß der Wind wehte noch immer energisch, wir durchschnitten die halbbreiigen Fluthen sehr schnell, wobei ein eigenthümliches Rauschen und Zischen zu hören war, wenn der Kiel die gerinnenden Wellen theilte. Wir hatten etwa die Mitte des Haffs erreicht, als der Wind plötz- lich nachließ und unsere Segel schlaff herunterhingen. Der Schreck, den ich hierüber empfand, dauerte jedoch nur eine kurze Weile, denn fast gleichzeitig faßte uns ein Windstoß von Südost und warf unsere Segel auf die linke Seite. Wir waren dadurch allerdings genöthigt, unsern Curs aufzugeben und hielten nunmehr auf Fischhausen, entschlossen, im dortigen Hafen zu landen und, wenn es nicht anders ging, das Schiff dort überwintern zu laffen. Kaum hatten wir jedoch ungefähr die Stelle erreicht, wo die Fischhauser Wiek beginnt, gleichweit entfernt von den beiden Landspitzen dieser Bucht, als auch der Südostwind nachließ. Es folgten wohl noch ein paar Stöße bald von dieser, bald von jener Seite, dann war es aber auch zu Ende. Wir lagen nun vor Anker. Die Wellen kamen augenblicklich zur Ruhe; in wenigen Minuten befanden wir uns in einem vollkommenen Eisbrei; es währte nicht lange, so verban- den sich die einzelnen Atome, es kam bereits zu der Bildung einer Eisdecke. Der gefürchtete Moment war also da.— Was thun?--------------Wäre ich auf einer Ebene Südamerikas gewesen und hätte ich das Geschrei einer Unze gehört, ich hätte gewußt, was zu thun sei; oder wäre auf unserem Schiffe ein Brand ausgebrochen, oder sonst etwas geschehen, wobei der Mensch thätig eingreifen kann, ich hätte so nicht gefragt. Hier hieß es: Warten, ruhig sein. Ich bog mich über den Bord und ver- folgte die Bildung der Eisdecke mit jener kühlen Ruhe, die dem Natur- forscher eigenthümlich; dann kam es vor, daß ich in ein helles Lachen ausbrach. Mir fiel die Erzählung jenes Reisenden ein, daß auf den Pampas Südamerika's eine Pflanze wachse in so ungeheurer Zahl und so schwer durchdringlich und dabei so schnell, daß sie im Stande sei, eine ganze Armee gefangen zu nehmen. Aber so unthätig konnten wir doch nicht verharren! „Wir wollen rudern!" rief ich. Der alte Ulrich, der seit einer Viertelstunde auf einem Ballaststeine am Maste saß, rührte sich nicht und fragte: „„Auf wie viele Tage haben Sie Proviant mit?"" „Proviant!" — Erst jetzt siel es mir ein, daß wir nichts bei uns hatten. Nichts? Aber doch die Tüte Rosinen und Mandeln und die Flasche Rum. Indessen wollte ich mich selber noch immer überreden, daß es so schlimm nicht sei. „Sei Er vernünftig, Ulrich: könnten wir mit Rudern nicht das Land erreichen?" 7*
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