1868 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Anblick giebt. Man findet ganze Gänge voll Waffen, Shawls, edler
Steine, Tücher, so wie Reihen von Gold- und Silberarbeitern. Buch-
händlern, Wechslern. Und dennoch ist die ungeheure Pracht, welche sonst
hier glänzte, sehr geschwunden, so großartig und blendend auch noch
immer das Schauspiel dem Europäer erscheinen muß.. Da lagen in frü-
herer Zeit ausgebreitet: damascenische Säbel, tartarische Bogen, arabi-
sche Lanzen, persische Dolche, Türkise aus Nischabur und Oiubtnen aus
Beda schau, Perlen von Bahrein, Diamanten voll Golkonda, Shawls
von Angora aus Persien und Kaschemir, indische Musseline und Kali-
kos, englische und französische Tücher, deutsche Leinwand und schwedisches
Eisen, geschnittener Sammet aus Bruffa, Beduinenmäntel aus der Ber-
berei, kurz alle Herrlichkeit, so die Sonne vom Aufgang bis zum Nieder-
gang schaut, fand sich hier zum Kails und Verkauf ausgestellt.
Indessen verläßt der Fremde bald die stille Pracht und'sucht die
belebteren Bazars wieder aus. Willig folgt er dem drängenden Strome,
indem sein Auge an dem farbigen Gewühl der Nationen und Trachten
sich weidet. Im Verhältniß zu der Menge. die sich auf den Gaffen um-
hertreibt. sieht man Wenige im altmorgenländischen Costüm. Hiezu
gehört die weite Hose, darüber der lange Kaftan, den der Gürtel zusam-
menhält; den Kopf bedeckt der Turban, der bei den Mohamedanern aus
einem rothen Mützcken besteht, um welches man ein unendlich langes
Stück von weißem Musselin windet. Er giebt dem Gesicht ein edleres,
majestätischeres Ansehen, als jede andere Kopfbedeckung. Besonders impo-
sant erscheint der alte Türke in dieser malerischen, stattlichen Tracht; die
jüngere Generation sieht bleicher, magerer ans.— Die Armenier, deren
es eine große Anzahl in Konstantinopel giebt, tragen einen Kaftan von
dunkelblauer Farbe und zur Unterscheidung von den Türken, statt der
gelben, rothe Pantoffeln. Ihr Haupt bedeckt ein schwarzer Filz von
seltsamer Form. Er gleicht einem großen Kürbis, den man unten abge-
schnitten und auf den Kopf gestülpt hat. Das Gesicht der Armenier ist
zwar etwas plump und ausdruckslos, aber frisch und gesund, wie ihr
ganzer Körper. Die ineisten sind Handwerker oder Künstler, besonders
Steinschneider und Goldschmiede.— Die Juden, die auch hier zerstreut
leben, haben keine eigentlichen Gewerbe; sie treiben sich zwischen der
Menge umher, bald einen kleinen Handel führend. bald den Dolmetscher
oder Cicerone machend. Ihre Kopfbedeckung besteht aus einer dunkeln,
steifen Mütze, um welche ein Stück Zeug genäht ist. Ihr Kaftan hat
denjelben Schnitt, wieder des Türken, und ist aus gewürfeltem, dunk-
lem Kattun gemacht. — Ein Stand, der in allen orientalischen Erzäh-
lungen und Märchen eine große Rolle spielt, sind die Derwische, die tür-
kst chen Mönche, deren Secten sich durch die Farbe der Kleidung unter-
scheiden. Ihre langen Kaftans flattern ohne Gürtel frei um die Hüfte
und sind bald hellbraun, bald weiß und bei dem Orden, der für den
ehrwürdigsten gilt, grün. Auf dem Kopfe haben sie einen Hut von
weißem Filz, einen Fuß hoch und in der Form eines abgekürzten Kegels.
— Der Anzug des Volkes, der Wasser- und Lastträger, der Tagelöhner
und Obsthändler läßt sich nicht wohl beschreiben; jeder zieht an, was
ihm gejchenkt wurde, oder was er wohlfeil gekauft hat. Einige tragen
Kaftans, die Meisten kurz abgeschnittene, runde Jacken, die bei den
Waperträgern von Leder sind. Die Beinkleider, vom Gürtel bis zum
Kme sehr weit, umschließen eng die Wade bis zum Fuß. Fast Alle