1868 -
Halle
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Masius, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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ausgebreitet liegen; die Traube, deren Saft das Herz erfreut; des Hopfens
dichtüppiges Gewind', wie all die Kräuter, deren heilbringende Säfte der
Arzt dem Kranken mischt. Welche Farbenpracht auf deinen Feldern: die
blauen Blüthenwogen des Flachses, die blaßveilchenfarbigen des Saf-
rans, die gelben des Rapses, die rothen des Klees! Welche Empfäng-
lichkeit des Bodens, die mannigfachsten Pflanzen hervorzubringen, deren
entweder der Gewerbefleiß bedarf, wie Farbekräuter, oder welche das
Gebot des Luxus zu einem Gegenstand des Handels gemacht, wie Tabak
und dergl. Welcher Reichthum an saftigen Weiden, die sich die Vieh-
zucht, unterm Einfluß der Wissenschaft veredelt, in Anspruch nimmt!
Welche Abwechselung der Baumgattungen, vom Nadelholz des Nordens
an bis zum Maulbeerbaum, der eine deutsche Seidenzucht gestattet, alle
Hölzer zum Haus- und Schiffbau, für alles Nützliche und Schöne des
Hausraths. Und die Wälder — Eichen und Buchen die deutschesten
Bäume darin! — wenn gleich viel gelichtet, und wenn auch sie unter
den Schutz wissenschaftlicher Aufsicht gestellt, noch immer der holde Irr-
garten, in dem die zwei Feen Märchen und Sage mit ihrem lustigen
Hofhält auf und unter den singeirden Bärunen und sprechenden Strau-
chen leben und weben. Und welche Schätze in den geheimen Tiefen des
deutschen Bodens endlich: die edlen Metalle, dabei man leider wohl
des alten Volksspruches gedenken mag: „Ein Quintlein Goldes wiegt
mehr, dann ein Centner 'Recht," aber auch des andern gedenken sollte:
„Iuwer Grueß mer danne Gold und Gsinid;" — und das deutsche
Eisen, von dem der Rothbart sagte: „Wir pflegen den Paß mit Eisen
zu eröffnen und nit mit Gold und Silber," — die Adern von Kupfer,
Zinn, Zink und Quecksilber, die reichen Kohlenlager und Salzquellen,
die gesegneten Brunnen endlich, die dem Kranken Heiltrank und Heilbad
ausströmen! O wohl ist er herrlich anzuschauen, reich, fruchtbar und
ergiebig jetzt und für alle Zeiten, der Boden Deutschlands, und werth
ein großes, freies deutsches Volk zu tragen. E. Duller.
71. Holzschlag im Böhmerwald.
Wenn man von Weitem kommend die Partieen der böhmischen
Waldungen überschaut, so ziehen sich die langen, röthlichen Streifen der
Holzschläge durch ihr bläuliches Gedämmer; aber wenn man in dieselben
eingedrungen ist und einen solchen Streifen betritt, so sieht man die
Wirkungen der menschlichen Werkzeuge. Auf der ganzen Strecke hin
liegen unzählige Tannenstämme wie verwirrte Halme gemähten Getrei-
des; ihre schönen, ewig grünen Aeste sind verdorrt und haben das bren-
nende rothe Ansehen eines Fuchsfelles angenommen, daher sie in der
Forstsprache auch Füchse heißen. Hie und da zwischen ihnen lodert ein
Feuer, in dem man eben die Füchse verbrennt, welche mancherlei Arbei-
ter beschäftigt sind von ihren Schäften zu schlagen und aus Pläke zusam-
menzutragen; an andern Stellen kreischt die Säge, die langsam hin-
und hergeht, um die Stämme zu trennen; oder es klingt die Axt und
der Schlägel, welche auf die Keile fallen, um die zahllosen herumliegen-
den Blöcke^ zu spalten. An andern Orten wird das Wirrsal der Schei-
ter in Stöße geschichtet, und wieder an andern stehen sie schon in langen
Reihen und Ordnungen dahin, daß sie von ferne aussehen wie Bänke
von röthlich- und weißblinkendem Felsen, der die Waldhöhen hinansteigt.