1859 -
Hanover
: Rümpler
- Autor: Goedeke, Karl, Colshorn, Theodor
- Sammlung: Lesebuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
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jit benagen: es kostete stets große Mühe, ihn in Bewegung zu
setzen, und kaum gelang es uns durch einen in seiner Nähe ange-
zündeten Schwärmer; aber dann machte er, statt geradeaus zu
gehen oder auch einen Umweg um den Gegenstand seiner Furcht
zu nehmen, einen so hohen Sprung, daß er mit dem Rücken säst
die Decke seines Käfichs berührte. — Die Niesen und die Zwerge!
Mannigfaltig ist die Art, sich dieser grimmigen Räuber zu
bemächtigen: man stellt Selbstschüsse mit vergifteten Pfeilen auf,
oder errichtet in der Nähe von dem Orte, wohin der Tiger den
Nest seiner Beute getragen hat, ein Schießzelt, um aus demselben
ihn, wenn er bei einbrechender Nacht zurückkehrt, mit einem Kugel-
regen zu empfangen re. Am seltsamsten ist aber wohl die Weise,
wie man sich in den nördlichen Provinzen Ostindiens desselben
bemächtigt. Nachdem die Spur eines Tigers gefunden ist, gesellen
sich nämlich die Bewohner zusammen, pflücken Blätter und be-
streichen dieselben mit einer Art Vogelleim; sodann streut man sie
auf dem Wege, den das Thier betreten muß, so aus den Boden,
daß die klebrige Seite oben liegt. Sobald der Tiger aus eins dieser
Blätter tritt, so beginnt er seine Bemühungen, es wieder zu ent-
fernen: er bewegt sich immer heftiger, erst mit den Füßen, dann
mit dem ganzen Körper, und bedeckt sich dadurch immer mehr mit
Blättern, bis er sich wüthend niederwirft und fürchterlich brüllend
sich wälzt, wobei er sich nur immer noch mehr einhüllt und Augen,
Ohren und Nase sich verklebt; in diesem Zustande wird er alsdann
von den herbeieilenden Menschen leicht erschossen. Die meisten
Tiger aber werden von einzelnen kühnen Schützen und auf großen
Treibjagden erlegt. Zu solchen Tigerjagdeu werden von den in-
dianischen Fürsten oft viele Tausende von Menschen, theils zu Fuße,
theils zu Pferde, theils auf Elephanten, beordert; 1683 rückte ein
Kaiser von China einmal mit 60,000 Manu und 100,000 Pferden
zur Jagd aus. In einem bestimmten Bezirke werden große, hohe
Garne aufgestellt, zwischen welchen in gewissen Entfernungen auf
Bäumen oder Pfählen Schießtürmchen angebracht sind; da hinein
begeben sich die besten Schützen, um von hieraus auf Tiger und
andere Raubthiere schießen zu können. Dann wird ringsum, gegen
die Garne hin, das dürre Gras und Gebüsch angezündet und zu-
gleich sämmtliche Mannschaft um den Ort aufgestellt, welche, in
dichten Gliedern vorwärts schreitend, unter dem fürchterlichsten Lärm,
schreiend, trommelnd und schießend, das Wild gegen die Garne
hintreibt.
Nachrichten und Geschichten von Tigern imb Tigerjagden sind
in zahlloser Menge vorhanden. In Griechenland hat man erst
nach Alexanders des Großen Tode einen Tiger zu sehen bekommen;
in Rom hat Pompejus den ersten zahmen in einem Käfiche gezeigt.
Am schlimmsten haust er gegenwärtig noch in Vorderindien: dort
raubt er nicht nur au fast allen waldreichen Strom- und Meeres-