1857 -
Glogau [u.a.]
: Flemming
- Autor: Schneider, Karl Friedrich Robert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa. Deutschland und die deutschen Staaten.
haben alle Völkerfamilien, alle christlichen Kirchen Eingang und Berührung mit dem
deutschen Volkselemente gefunden, in dem sich die leichte, geistige Beweglichkeit der
südlichen Völker mit dem Ernst und der Tiefe der nördlichen Völker verbunden hat; in
seinen östlichen und westlichen Grenzlandern finden wir vermittelnde Gebiete und Völker-
schaften, zweisprachige Mischvölker.
§. 6. Deutschland befindet sich seiner geographischen Lage nach zwischen
dem 45. und 56. o nördl. Br., zwischen dem 20. und 40. o östl. L. Seine Grenzen
sind nur zum geringen Theil natürlich; es ist weniger glücklich begrenzt als Italien,
Frankreich, Spanien, Großbritannien, Schweden und Norwegen, darum aber auch
weniger abgeschlossen, den Völkern zugänglich. Im N begrenzen Nord - und Ostsee,
Eider und Eiderkanal, im 8 bilden die Alpen die Grenzmauer gegen Italien und die
südlichen slavischen Völker, nach 80 öffnet sich zwischen Alpen und Karpaten das
Donauthal als Durch- und Eingangspaß, die Westkarpaten bilden die südöstliche Grenz-
wand gegen die ungarischen und slavischen Völker, der Oberlauf der Oder, die Warthe
und der Bromberger Kanal, und der Unterlauf der Weichsel lassen sich als östliche,
leicht zu überschreitende Wassergrenze bezeichnen, über welche hinaus und hinein das
slavische und das deutsche Volkselement sich bewegt haben; im W können Jura, Vo-
gesen, Ardennen als Grenzwälle angesehen werden, Mosel und Maas als dem Vordrin-
gen entgegentretende Hindernisse, Tyrol als die süddeutsche Alpenfestung, Böhmen
als die ostdeutsche Bergfestung, welche, wohl bewahrt und bewehrt, einem von
Osten gegen Deutschland vordringenden Feind sehr gefährlich werden kann; auch Holland
bietet in seinem Wasserreichthum, mit seinen zahlreichen Kanälen und Flüssen und
Sümpfen gute Haltpunkte der Vertheidigung im Nw, es ist, wie E. M. Arndt sie
nennt, die deutsche Wasserburg.
Seine politischen Begrenzungen bringen es, Spanien und Portugal aus-
genommen, mit allen europäischen Völkern in Verbindung und Berührung, Däne-
mark, Frankreich, Italien, die Türkei durch Oesterreich, Rußland stehen
in unmittelbarer Begrenzung mit Deutschland, Schweden und Großbritannien
sind nur durch kurze, leicht zu durchschiffende Meeresstrecken von Deutschland getrennt,
die mehr verbindende als trennende Glieder sind. Rußland und Frankreich sind
Deutschlands gefährlichste Nachbarn; doch hat Deutschland sie nicht zu fürchten, wenn
es in Einigkeit stark ist. Auch selbst wenn der Feind eingedrungen ist, bieten ihm viele
Gebirgsländer im Innern treffliche Halt- und Sammelpunkte dar, von denen aus er
erfolgreich den Feind angreifen und bekämpfen kann, wenn Deutschland in seiner äußern
Vielgliedrigkeit seine innere Einheit gewinnt und erhält.
tz. 7. Größenverhältnisse. Deutschland im engern Sinne des Worts,
der deutsche Staatenbund, ist gegen 12,000 Q. M. groß, Deutschland im
weitern Sinne, das deutsche Land, so weit die deutsche Sprache dringt, breitet sich
über einen Raum von 15,000 Q. M. aus, ja fast noch weiter, fast über 20,000
Q.m., da mit Ausnahme des lombardisch-venetianischen Königreichs deutsche Sprache
und Art über das ganze österreichische Kaiserthum verbreitet ist. Deutschlands Grenz-
linien, im engern Sinne, sind 765 Meilen lang, im 0 190, im N 290, im 8 170,
im W 115. Von O nach W muß man 170 Meilen weit reisen, um Deutschland
in seiner ganzen Länge, von N nach 8 135 Meilen, um es seiner ganzen Breite nach
zu durchreisen. Es bildet seinem Flächenraume nach im weitern Sinne des Worts >/3
des ganzen Raumgebiets der germanischen Völker. Deutschland im weitern Sinne des
Wortes gleicht seiner Umrandung nach einem unregelmäßigen Sechseck; sein nördlichster
Punkt ist Dars oder der nordwestlichste Punkt von Vorpommern, fein südlichster fast
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