Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Bd. 2 - S. 18

1837 - Eisleben : Reichardt
Europa. . 18 \ überzeugen, daß die Kaukasier ausgeartete Christen sind, welche den Aberglauben des alten Heidenthums größtentheils wieder angenommen haben. Auch die Kaukasier, welche man als Muhamedaner ansieht, zeigen im Allgemeinen wenig Eifer für ihren Glauben, wissen nicht einmal die gewöhnlichen Gebete Arabisch herzusagen, und spotten unter sich über die Übungen und Gebrauche, welche diese Religion ihren Bekennern vorschreibt; doch enthalten sie sich des Genusses vom Schweinesieisch. Die meisten Kaukasier haben eine große Ehrfurcht vor dem Donner. Wird jemand vom Blitze erschlagen, so sagen sie, der Prophet Elias habe ihn getödtet. Man erhebt ein Freudengeschrei, es wird um den Todten gesungen und getanzt; alles laust herzu, um an der Freude Theil zu nehmen und die Wohlthat des Elias zu preisen. Dieses Freudenfest dauert 8 Tage, worauf die Beerdigung mit großer Feierlichkeit vorgenommen wird und Gastmahle folgen; hierauf wird ein großer Steinhaufen auf dem Grabe errichtet, neben welchem an zwei großen Stangen die Haut eines schwarzen Bocks und die Klei- der des Verstorbenen aufgehängt werden. Überhaupt spielt der Pro- phet Elias eine sehr ausgezeichnete Rolle in dem religiösen Glauben der Kaukasier. Ihm sind viele Felsen und Höhlen heilig. In den Gegenden des Kaukasus, in die der Muhamedanismus nicht gedrungen ist, opfert man dem Elias an geweihten Ortern Ziegen, deren Fleisch gegessen und die Haut an einem großen Baum ausgebreitet wird. Am Tage dieses Heiligen werden sodann diesen Hauten besondere Ehren- bezeugungen erwiesen, damit der Prophet vor Hagel bewahre und eine reiche Erndte gewahre. Die Kaukasier haben keine eigentlichen Gesetze, und das Eigenthum ist nur so lange sicher, als es mit Gewalt ver- theidigt wird. Jedoch hat jedes Dorf seine Ältesten,, welche die Zwi- stigkeiten der Einwohner zu schlichten suchen und die Ordnung so ziem- lich zu erhalten wissen. Obgleich diese wilden Bewohner des Kauka- sus von einem wirklichen Gesellschaftszustande noch unendlich entfernt sind, so tragen doch zwei wichtige Grundsätze, welche allgemein bei ihnen in Ausübung sind, mächtig zur Bezähmung ihrer grausamen Leidenschaften bei — die Pflicht der Gastfreundschaft und die Blutrache. Die erstere verpflichtet zu einem förmlichen Bündnisse zwischen 2 Men- schen oder 2 Familien, das niemand brechen kann, ohne den Haß des ganzen Stammes auf sich zu ziehen. Wenn ein Kaukasier einen andern unter seinen Schutz nimmt, oder als seinen Gast empfangt, so kann dieser mit vollkommener Sicherheit auf ihn rechnen und selbst sein Leben in des andern Hände legen. Die Blutrache wird noch strenger ausgeübt, als bei den Beduinen; es ist eine heilige Pflicht, die vom Vater auf den Sohn übergeht, und ihre Folgen dehnen sich auf die ganze Familie dessen aus, der diese Rache durch den ersten^ Mord herausgefordert hat. Die Erfüllung dieser Pflicht ist die gewöhnliche Ursache der Kriege unter den Kaukasischen Stammen; auch hat ihr unversöhnlicher Haß gegen die Russen ihren Grund in dieser Sitte.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer