1. Bd. 2
- S. 39
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Russisches Reich.
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und dem Dünnbier ähnelnd; bei den Vornehmen ist der Kwas ftei-
lich besser und wird durch Zusätze von Citronenschaalen und andern
stärkenden Reizmitteln verfeinert und schmackhafter gemacht. Auch auf
den Straßen in den Städten wird von Morgen bis zum Abend Quas
in irdenen Töpfen mit durchdringendem Rufe des schmutzigen Ver-
käufers ausgeboten. Vor dem Frühstück und vor der Mahlzeit spielt
das Schälchen Branntwein eine beliebte Rolle, um sich dadurch zum
Essen Appetit zu machen. Der Bürger und Kaufmann lebt besser
und genießt viel Fleisch mit mannigfaltigen Gemüsen und giebt in
Hinsicht seiner Tafel dem Edelmann oft wenig nach, nur daß er sich
mehr an Nationalgerichte hält. Bei dem reichen Adel herrscht Luxus,
und er hält sich in Moskau oder Petersburg unterrichtete .Köche, die
Französische und Englische Gerichte zu bereiten verstehen. Der Thee ist
ein Lieblingsgetränk in ganz Rußland. Bei den höhern Ständen wird
er in der Regel des Morgens und gegen Abend genossen, bei den Kauf-
leuten ungleich öfter, wohl 7mal des Tages, selbst noch zwischen dem
Schälchen vor Tische und dem Mittagsessen. Gewöhnlich hat auch
der geringere Kaufmann die kochende Theemaschine in seiner Bude, um
sich dieses Lieblingsgetränk zu jeder Stunde bereiten zu können. Ei-
genthümlich sind in Rußland die schönen Fruchtweine (Naliwki),
die man durch Aufguß von Branntwein auf frische Beeren und viele
andere Früchte erhält, und die, wenn man sie alt werden läßt, ganz
vortrefflich und dem Weine ähnlich sind und von Vielen auch dem
Weine vorgezogen werden. Die Konsumtion der Haselnüsse, die fast
bis an den Saum des Polarstrichs fortkommen, übersteigt allen Glauben;
denn sie machen das beliebteste Nafchwerk des Volks, und man wird
nicht selten ersucht, doch eine Kopeke (na oracchi) zu Haselnüssen zu
schenken, so wie anderwärts zu Branntwein. Auch an den Tafeln der
Großen gehen sie, mit Zucker überzogen, mit dem Dessert herum. Zu
den ächt Russischen Gerichten gehören die Pirogen, ein Lieblings-
gericht vom Fürsten bis zum Bauer, in Pasteten bestehend, welche in
den Straßen von Petersburg und Moskau in besondern Buden öffent-
lich feil geboten werden, sehr wohlschmeckend, aber außerordentlich fett
und oft ganz mit Ol durchdrungen, die aus einer Art Semmetteig
und fein gehacktem Fleisch verfertigt, rcllenförmig zusammengewickelt,
in Butter oder Öl gebacken und alsdann ganz heiß gegessen werden;
ferner auf verschiedene Art zubereitete Pilze; die Batwinia, eine Art
kalter Suppe zur Erfrischung in den heißen Sommermonaten, die aus
Q.uas, kleingeschnittenen rohen Gurken, aus verschiedenen Kräutern und
aus Zuthaten von Fleisch- und Fischschnitten bereitet wird; die Kohl-
suppe (Schrschi), aus fein geschnittenem Kohl mit Fleisch und öfters
mit einem Zusatz von saurem Rahm gekocht; Grütze mit Butter, mehr
oder weniger fein zubereitet rc. — Zur Zeit der Fasten, die in Ruß-
land streng gehalten werden, genießt man Fische mit Wasserbrühe,
wässerige Gemüse, kaum gesalzene und mir nichts gewürzte, noch fett