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1. Bd. 2 - S. 43

1837 - Eisleben : Reichardt
Nussi sches Reich. 43 düng Petersburgs immer allein von Bürgersleuten bewohnt ward) ge- feiert wird, und das man als ein Frühlingssest ansehen kann und welches gar keine religiöse Bedeutung hat. Weiber und Mädchen be- gehen es besonders hoch. Sie putzen sich auss zierlichste, streifen im Freien umher, singen, tanzen und bekränzen sich mit Birken- und an- dern Zweigen. Diese Kranze werden mit Beendigung des Festes Abends ins Wasser geworfen, und man giebt dabei Achtung, ob diese fortschwim- men oder untersinken. Jenes bedeutet, daß der Freier nahe ist; dieses, daß er leider -so bald noch nicht erscheinen wird. Das Baden gehört gleichfalls zu den Nationalvergnügungen des Russen, welches ihm so zum Bedürfnisse ist, daß er dafür sein Letztes aufopfert und sich höchst unglücklich fühlt, wenn er es entbehren muß. Doch unterscheidet sich dies Baden von dem in andern Landern übli- chen. Die Russischen Bader sind nämlich Schwitz- oder Dampfbäder, die so sehr zur Lebensordnung des Volks gehören, daß fast jeder Bauer bei seinem Hause eine besondere Badstube hat, in welcher sich die sämmtlichen Bewohner wenigstens jeden Sonnabend baden. Außerdem giebt es aber auch öffentliche Badeanstalten, worin.die Männer sich in buntem Gemisch mit den Weibern baden. Diese bestehen gewöhn- lich aus schlechten hölzernen Häusern, und haben Vorzimmer zum Aus- und Ankleiden. Die Badstube selbst hat einen oder auch mehrere große gewölbte Öfen, in welcher ein Kessel eingemauert ist, um sieden- des Wasser zu erhalten, und auf welchen Feldsteine glühend gemacht werden. Rund umher sind an den Wänden 2 bis 3 Reihen Bänke angebracht, die stufenweise über einander stehen, und vermittelst welcher man sich beliebig in eine höhere Temperatur begeben kann. Die Bad- stube hat wenig Licht, doch hin und wieder einige Öffnungen, um die Dünste hinaus zu lassen. Die Hitze in derselben wird besonders da- durch vermehrt, daß man beständig Wasser über glühende Steine schüt- tet, davon die Dämpfe die ganze Stube erfüllen und eine Hitze von 44 bis 54 und 60 Grad Reaumur hervorbringen, die dem Unge- wohnten unerträglich ist. Die Badenden legen sich nackt auf eine der Bänke und schwitzen daselbst mehr oder weniger nach Maßgabe des , Dunstkreises, in welchem sie sich eingehüllt befinden. Man läßt sich den Körper reiben, überstreicht ihn mit Seifenschaum, schlägt ihn mit Birkenzweigen, die man in warmes Wasser und in den Seifenschaum eintaucht, sanft den Leib, Füße und Schenkel; und glaubt man genug geschwitzt zu haben und völlig rein zu seyn, so wird über den Kopf ein Gefäß mit lauwarmem oder kaltem Wasser gegossen, das längs des Körpers herab läuft und die etwa noch daran haftende Seife oder Un- reinigkeit mit sich fortnimmt. Der ächte Russe pflegt wohl, ehe er sich wieder anzieht, aus der heißen Badestube ins Freie zu laufen pnd sich im Winter im Schnee, im Sommer im Grase zu wälzen, ohne daß dieser plötzliche Übergang von der Hitze zur Kälte einen bemerkbaren Eindruck auf ihn macht. Diesen die Reinlichkeit der Haut so sehr be-
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