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1. Bd. 2 - S. 44

1837 - Eisleben : Reichardt
44 Europa. fördernden Dampfbädern hat der Russe seinen festen Gesundheitszustand, die frühe Gewöhnung seines Körpers an die schnellen Übergange seines Klimas, von einem Extreme zum andern, und die Weibspersonen ihre frühe Reife, aber auch ihr frühes Verblühen zu verdanken. Von der Schnelligkeit, mit welcher man in Rußland mit Postpfer- den reist, hat man in Deutschland keine Vorstellung. Mit dem schwer- sten Reisewagen fahrt man im Galopp über Graben und Löcher. So wird die Station von 3 bis 4, auch wohl bis 3 Meilen im gestreckten Galopp zurückgelegt, wobei der Postillon bloß die drohende Peitsche oder den Kantschu von einer Seite zur andern schwingend, theils mit Droh-, theils mit Schmeichelworten den ganzen Weg hindurch zur möglichsten Eile antreibt. Die Geschwindigkeit der Russischen Post ist außeror- dentlich; 2 Meilen macht man gewöhnlich, bei gutem Wege, in einer Stunde, und 20—30 M. kann jeder mit Bequemlichkeit binnen Tag und Nacht machen. Die Fahrt von Petersburg nach Moskau (104 M.) legt man in 3| Tagen zurück. Ein Kourier, der freilich auserlesene Pferde hat, fahrt 50 M. in 24 Stunden. Kaiser Alexander machte den Weg nach Moskau in 48 Stunden. Eine Schlittenfahrt von Petersburg nach Moskau erfordert nicht mehr als 40 Stunden, wenn man es absichtlich darauf anlegt. Diese Schnelligkeit im Reisen knüpft die entlegensten Orte an einander. Nicht selten geschieht es z. B., daß Offiziere von der Petersburgischen Garnison auf einen Monat Ur- laub nehmen, um ihre Bekannten in Orenburg zu besuchen und also einen Weg von fast 650 M. (Orenburg ist von Petersburg über 320 M. entfernt) machen. Alle Sommer kommen Geschäftsleute aus dem entlegensten Sibirien nach Petersburg, und reisen wieder in derselben Iahrszeit dorthin zurück. Die Russische Sprache gehört zur großen Familie der Slavischen Sprachen, für deren gemeinschaftliche Mutter die alte Slavonische Sprache, jetzt bloß noch Kirchensprache, gehalten wird. Die Russische Sprache ist fließend und wohlklingend, zur Musik und Poesie geeignet; zwar voller Zischlaute und Konsonanten, hat aber doch, wenn sie gut gesprochen wird, weder Rauhheit, noch Härte; denn die harten und zi- schenden Konsonanten weiß der Russe sehr sanft zu schleifen und mit \ den Vocalen zu verschmelzen. Dabei ist sie sehr reich und hat außer einem großen Überflüsse von Ausdrücken, noch eine unerschöpfliche Quelle des Reichthums, wie die Deutsche Sprache, in sich selbst darin,^ daß ihr die Verbindung mehrerer Hauptwörter zu einem Worte natürlich ist; zugleich hat sie ungemein viel Kürze und Bündigkeit. Einen ei- genthümlichen Reiz des Zutraulichen und Herzlichen hat die Rusiische aus dem Alterthum stammende Sitte, seine Freunde, Bekannte und deren Frauen in der gesellschaftlichen Unterhaltung nicht beim Zunamen und dem vorgesetzten Titel zu nennen, sondern sie bloß mit ihrem Vor- namen und dem des Vaters anzureden. Diese patriarchalisch freund- liche Sitte ist so volksthümlich, daß selbst die Dienstboten der Familien,
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