1. Bd. 2
- S. 72
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa.
den, Seekälbern, Robben, Füchsen, Schildkröten, Eisbären, Meerhasen,
weißen Wallsischen oder Belukhi, Fischottern. Die Falken sind die
einzigen Vögel, welche im Winter bleiben, aber der Zugvögel giebt es
im Sommer eine Menge. Mehrere Arten von Möven bauen ihre
Nester in Felsspalten. Das Klima ist auf Nowaja-Semlja, bei sei-
ner so hohen nördlichen Lage, äußerst rauh und kalt, daher findet man
auch hier keine bleibenden Einwohner, sondern Samojeden und Russi-
sche Jäger besuchen die Insel bloß auf eine Zeitlang. Man baut sich
alsdann für den Winter Hütten, die man schon fertig mit sich führt,
beschäftigt sich mit dem Fischfänge und der Jagd, und kehrt dann mit
dem Ertrage derselben wieder zurück.
Nowgorod mit dem Beinamenweliki (Groß-Nowgorod),
Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements, war einst die größte
Stadt Rußlands und eine der berühmtesten Handelsstädte Europas.
Sie hatte im 14. und 15. Jahrhunderte, als sie in Verbindung mit
der Hansa (s. S. 729) stand und der Stapelort des ganzen nordi-
schen und morgenländischen Handels derselben war, an 400,000 E.
und beherrschte ein ansehnliches Gebiet. Im 5. Jahrhunderte zu glei-
cher Zeit mit Kiew, von Slaven erbaut, ward sie im 9. Jahrhunderte
die Residenz Ruriks, des ersten Russischen Fürsten, und also die Stif-
terin des Russischen Staates, und wußte später die seit Wladimirs
Tode herrschenden innern Unruhen Rußlands so zu benutzen, daß sie
eine Republik wurde. Ihre vormalige Macht schildert ein altes Sprich-
wort des Volks: „Wer kann wider Gott und Groß-Nowgorod!"
Allein der durch den blühenden Handel erzeugte Reichthum, welcher
den Patriotismus und Heldengeist der Bürger Nowgorods unterdrückte
und statt dessen Partheisucht, Bürgerzwiste und Zerrüttungen herbei-
führte, legte den ersten Grund zu Nowgorods Falle, auch sank durch
mancherlei Umstände der Flor des Handels, bis im I. 1478 die mäch-
tige Republik eine Beute des Großfürsten Iwan Wasiljewitsch wurde.
Und da später Nowgorod das Joch von sich abzuschütteln versuchte,
wurde es 1570 durch den Großfürsten Iwan den Furchtbaren gänz-
lich verheert und eines Theiles seiner Einwohner beraubt. Die Er-
bauung Petersburgs, das nun den ganzen Handel der Ostsee an sich
zog, vollendete den Ruin dieser einst so großen und mächtigen Stadt.
Jetzt bietet Nowgorod nur einen Schatten seiner vorigen Größe dar,
und ist eine Stadt mit nicht völlig 10,000 E. Sie liegt zu beiden
Seiten des breiten, schiffbaren Wolchow, da wo er den Jlmensee ver-
läßt, und hat über 60 Kirchen, darunter viele mit vergoldeten oder ver-
silberten Kuppeln versehen sind. Die merkwürdigste unter allen ist die
uralte Kathedralkirche im Kreml, die Sophienkirche genannt, mit 5
versilberten und einer vergoldeten Kuppel in der Mitte, welche im 11.
Jahrhunderte erbaut wurde. Die berühmte kunstvolle Hauptthüre, de-
ren beide Flügel aus Bronze gegossen und unter dem Namen der
Korsünschen Thüren (von der alten Stadt Korsün, Eherson