1. Bd. 2
- S. 77
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Russisches Reich.
Meisterstücke von Drechslerarbeit gelten. — Etwas ganz besonders
Charakteristisches der hiesigen Messe sind die in einer unabsehbaren
Lange sich hinziehenden mehrsachen Kastenlinien. Welch eine Masse
von Kasten, und doch wird dieser Artikel jährlich rein ausgekauft!
Die Bucharen, Chiwenser, Armenier und Indier kaufen sie immer
ganze Partienweise und bringen sie mit sich fort. Fast alle diese
Kasten werden in Sibirien verfertigt; die allergemeinsten sind nach den
bloß angestrichenen, die mit rothem Juftenleder überzogenen und ziem-
lich dicht mit Quadraten aus schmalen Streifen verzinnten Eisenblechs
verzierten; hierauf folgen die über und über mit letzterem beschlagenen
und mit allerlei getriebenen Arbeiten geschmückten Kasten. Die eigent-
lichen eleganten Kasten aber, die in ihrer Art für wahre Kunstwerke
gelten können, sind mit dem allerfeinsten, schwarzen Eisenblech überzo-
gen, welches mit Malerei, Vergoldung, polirtem Stahl, eingesetzten
Spiegeln und dem prächtigsten Lacksirniß aufs weichste ausgestattet ist.
Man behauptet, daß das Lerchen- und Balsamtannenholz, aus welchem
sie verfertigt sind, den Motten widerstehe und daß sie deshalb von den
Orientalen, die mit Pelzwerk, Schawls und feinen Wollenwaaren
handeln, so vorzüglich geschätzt werden. Die Preise dieser Kasten sind,
trotz ihrer großen Eleganz und trotz der ungeheuren Entfernung, aus
der sie hieher transportirt werden, doch äußerst billig. — Von der
großen Wichtigkeit dieser Masse zeugen folgende Angaben: 1830
gelangten auf dieselbe für 116,818,000 Rubel Waaren, als Asiati-
sche für 17,385,000, ausländische Europäische und Kolonialwaaren
für 15,433,000 und Russische Fabrikate und Produkte für 84 Mil-
lionen Rubel. Von Thee wurden 32,368 Kisten gebracht und von
Seide 9290 Pud. Der Werth aller Russischen Wollenfabrikate
belief sich auf 7 Millionen, der Polnischen auf \ Million und der
ausländischen auf 2,200,000 Rubel. Der Werth der Russischen
Baumwollenfabrikate betrug 19, der ausländischen 3, der Russischen
Seidenfabrikate 8^ und der ausländischen 1| Millionen Rubel. An
rohen einheimischen Produkten befanden sich auf der Messe über 2
Mill. Pud Eisen, für mehr als 8 Mill. Rubel Pelzwerk, für mehr
als 3 Mill. rohe Häute und gegerbtes Leder, Fische für 1,600,000
Rubel. Der Werth der Kolonialwaaren belief sich auf 5,385,000
und des ausländischen Weins und Branntweins auf 4 Mill. Rubel.
1832 betrug der Werth aller auf die hiesige Messe gebrachten Waaren
123,200,000 Rubel, nämlich
Russische Fabrikate und rohe Waaren . . . 89,500,000 Rubel
ausländische Europäische und Kolonial-Waaren . 17,000,000 „
Asiatische Waaren ............................. 16,700,000 „
Kiew, die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements, einst
Residenz der alten Großfürsten und eine der ältesten Städte Rußlands,
ist von etwa 40,000 Menschen bewohnt. Schon aus der Ferne glänzt
der weiße Bergrücken, auf dem sie erbaut ist, dem Reisenden entgegen,