1. Bd. 2
- S. 103
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Osmanisches Reich.
103
welche mehr als 4000 Mönchs von fast allen Nationen bewohnten,
die neben ihren religiösen Verrichtungen, das Land bauen, Weinstöcke
und Oliven pflanzen, eine große Zahl von Bienen halten, so daß sie
jährlich viel Wachs versenden, und eine große Menge Heiligenbilder,
Messer, Löffel und andre Holzwaaren versertkgen, die mittelst des Ha-
fens von Alvara ausgeführt werden, einem befestigten Flecken, der
aus der Ostseite dieses Berges liegt und von ohngefahr 500 Mönchen
bewohnt wird. Außerdem ziehen sie ihren Unterhalt von den Pil-
grimmen, die hieher wallfahrten, von den Geschenken der Griechischen
Reichen und Großen und von den Almosen, die sie in andern Lan-
dern einsammeln, deren Bekenner sich zur Griechischen Kirche bekennen.
Die Klöster sind zum Schutz gegen die Räuber mit Mauren und
Geschütz versehen, und nur die Thürme ihrer Kirchen genießen allein
in der Europäischen Türkei die Erlaubniß, Glocken und Uhren zu haben.
Den Türkischen Schutz müssen sie jedoch theuer, jährlich mit 12,000
Piaster und außerdem noch durch beträchtliche Geschenke an den Groß-
herrn, den Pascha rc. bezahlen, besonders da unter den Türken die
Sage herrscht, daß die letzten Griechischen Kaiser ihre besten Schatze
und besonders die kaiserliche Krone auf diesen Berg geflüchtet hatten.
Die meisten dieser Klöster besitzen Bibliotheken, die zum Theil mit
vielen Handschriften alter Griechischer Werke versehen sind, und welche
vor einigen Jahrhunderten dem gelehrten Europa die Handschriften
vieler Meisterwerke der alten Griechischen Literatur geliefert haben.
Auch befanden sich bis zu den neuesten Zeiten hier das erste geistliche
Seminar der Griechischen Kirche und ihre berühmteste theologische Schule.
Dieser Berg wird wegen der Menge der Klöster, Kapellen und Einsie-
deleien der. heilige Berg genannt, und gleicht in mancher Hin-
sicht dem berühmten Montserrat in Spanien (s. S. 141).
Unter den Produkten des Osmanischen Reichs sind auch Knop-
pern, .eine besondere Art von Gallapfeln, welche jedoch keine kugel-
runde, sondern mehr eine eckige Form haben, und gewöhnlich braun-
gelb aussehen. Bekanntlich entstehen die Gallapfel durch Auswüchse
der Blätter der Eichen, jwohin die unter dem Namen der Eichen-
bohrer bekannten Gallwespen ihre Eier legen; und sie werden stark
in den Färbereien und zur Bereitung der Tinte gebraucht. Die
besten Galläpfel kommen aus der Asiatischen Türkei. Die Knop-
pern, welche denselben Nutzen wie die Galläpfel gewähren, entstehen
durch Auswüchse der Blüthe oder der jungen Frucht der Eichen, ver-
ursacht durch die von den Gallwespen dahin gelegten Eier, und finden
sich in Ungarn (vorzüglich im Bakonyer Walde), Kroatien und Sla-
vonien, wo man sie in großer Menge antrifft. Ehe man den großen
Nutzen dieser Auswüchse kannte, hielten sie die Einwohner für ein
Unglück, weil in den Jahren, wo sie am häufigsten sind, fast ga»
keine Eicheln wachsen, die doch den zahlreichen dasigen Schweineheer-
den so treffliche Mästung gewähren. Jetzt hingegen sind die Eimrwh-