1. Bd. 2
- S. 121
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Osmanisches Reich.
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Volksfreuds besteht darin, daß man still und ruhig, mit langsamen
Schritten durch die Straßen und in den Umgebungen der Stadt
spazieren geht. Die Ruhe und Stille bei diesen Freudenfesten steht in
auffallendem Kontraste mit den Volksbelustigungen in den christlichen
Landern.
Noch müssen wir einige Nachricht von den Begräbnißfeierlichkck-
ten der Türken geben. Sobald ein Türke sterben will, legt man ihn
auf den Rücken, die rechte Seite gegen Mekka gewendet; in welcher
Lage er auch begraben werden muß. In das Zimmer des Kranken
bringt man einen kleinen Heerd, auf welchem Raucherwerk angezündet
wird; der Imam der nächsten Moschee wird geholt und liest ein
bestimmtes Kapitel des Koran und das Glaubensbekenntniß vor,
welches der Kranke still vor sich nach sagt. Nach dem letzten Athem-
zuge legt man ihm einen Sabel auf den Bauch und der nächste Ver-
wandte drückt ihm die Augen zu, indem er zugleich den Bart an das
Kinn festdrückt. Darauf wäscht man den Leichnam mit einem aro-
matischen Dekokt und streut wohlriechende Kräuter über den Kops und
den Bart. Stirn, Nase, die Hände, Füße und Knie werden mit
Kampfer gerieben, aus Achtung gegen diese Theile, weil sie am Gebete
Theil nehmen. Sodann wird der Körper in ein weißes Leintuch
gehüllt und in den Sarg gelegt, über welchen der Imam einige Gebete
hersagt. Die übrigen Begräbnißzeremonien sind sehr einfach. Der
Sarg, der mit einem gemeinen Tuche bedeckt und am Kopfende nur
mit dem Turban des Verstorbenen geziert ist, wird von 4 Männern,
nicht etwa erst in die Moschee, sondern unmittelbar und in aller Eile
zur Grabstätte getragen. Die männlichen Verwandten folgen schwei-
gend und ohne ein Zeichen von Schmerz zu geben. Das Grab wird
mit Rasen bedeckt und mit Blumen bepflanzt. Das steinerne Monu-
ment darf nicht dicht über dem Platze, wo der Todte liegt, angebracht
seyn, weil man fürchtet, daß es ihn drücken würde; daher die Mauer
nur das Grab einfaßt. Nach der Beerdigung spricht der Imam noch
einige Gebete und ruft dreimal den Verstorbenen bei seinem Namen.
Die Todtenplätze liegen außerhalb der Städte und haben durchaus
nichts Finsteres oder Abschreckendes, sondern sind mit Bäumen aller
Art, mit Linden, Buchen, Eichen, Platanen, Ulmen, besonders aber
mit Cypressen, dem Lieblingsbaume der Muhamedaner und mit der
immergrünenden Ceder bepflanzt, und die Blumen auf den Gräbern
werden sorgfältig unterhalten, weshalb diese Todtenäcker auch fast durch-
gängig zu Spaziergängen benutzt werden. Rings um die Gräber
herum ist bei den Wohlhabenden auf allen 4 Seiten eine Einfassung
von gewöhnlichem Stein oder Marmor angebracht, die das eigentliche
Grab eng umschließt; einige derselben sind wie die Sarkophagen der
Alten ohngefähr 3 F. erhöht und die Marmorplatte rings herum theils
mit Blumen, theils mit Inschriften verziert. Bei allen befinden sich
an den beiden Enden zwei aufrecht stehende Marmorplatten; die Grä-