1. Bd. 2
- S. 144
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Europa.
klein« Tribune für den Mufti, links aber die mit einem dichten gol-
denen Gitter geschlossene Loge des Sultans, zu welcher ein Eingang
von Außen führt, und die mit reichen Teppichen verziert ist. Schon
hatten wir mehrere Stunden mit der Besichtigung des Tempels zuge-
bracht, als der Gottesdienst begann, dem wir in einer fernen Ecke bei-
wohnten, um die Andacht der Gläubigen durch unsere Gegenwart nicht
zu stören. Vor dem Altar (Mihrab) stand ein Imam mit 2 Sän-
gern, die in klagenden langgehaltenen Moutönen mehrere Lieder san-
gen. War eins beendet, so rief der Imam: „Allah il Allah!" bei
welchem Ruf die in langen Reihen stehenden andächtigen Muselmän-
ner sich mit dem Gesicht auf die Erde warfen und in dumpfmurmeln-
dem Gebete einige Minuten in dieser Stellung verharrten. Dann
richtete sich die ganze Versammlung wieder auf und wiederholte beim
Schluffe des folgenden Liedes dieselbe Bewegung. Die Ceremonie
dauerte ohngefahr eine halbe Stunde. Zum Lobe der jetzigen Duld-
samkeit der Türken muß ich anführen, daß wahrend meines ganzen
Aufenthalts in der Moschee mir nicht die kleinste Unannehmlichkeit be-
gegnete, daß nicht die geringste Neugierde auf den Gesichtern der Mos-
lemins bei meinem Anblick sich zeigte. Ernst und würdig ging man
an mir vorüber. Als wir auf den Vorhof hinaustraten, hatte sich
dort ein großer Vogelmarkt etablirt. Viele Türken traten heran und
kauften ganze Käsige voll der gefiederten Waldbewohner. War der
Kauf geschlossen, so öffnete der Käufer das Gefängniß, und schenkte den
kleinen Gefangenen die Freiheit. Eine mildthätige Handlung, die der
Koran den Gläubigen vorschreibt."
Zu den schönsten Moscheen Constantinopels gehört auch die So-
leimanie oder die Moschee Solimans des Großen, eins der schönsten
Denkmäler Osmanischer Baukunst 1550—1555 erbaut. In Hinsicht
ihrer Kuppeln hat die berühmte Sophien-Moschee als Muster gedient,
ist aber im Betreff der Regelmäßigkeit des Plans, der Vollendung
der einzelnen Theile und der Zusammenstimmung des Ganzen hier
noch übertroffen worden. An die große Kuppel schließen sich 2 etwas
kleinere Halbkuppeln und an diese wieder zu beiden Seiten noch klei-
nere, aber ganze Kuppeln an, so daß die Moschee zusammen 13 Kup-
peln hat. Die Hauptkuppel, von demselben Umfange wie die der So-
phien-Moschee, aber um 7 Ellen höher, wird von 4 gemauerten Pfei-
lern getragen, zwischen denen rechts und links, auf jeder Seite zwei
Säulen stehen. Sie sind die größten Säulen Constantinopels, messen
13 F. im Umfange am Boden und haben eine verhältnißmäßige
Höhe. Neben dem Mihrab stehen 2 Riesenleuchter aus vergoldetem
Metall, auf welchen in den 7 heiligen Nächten mannsdicke Wachsker-
zen brennen. Um das ganze Gebäude geht eine besondere Mauer, welche
den großen äußern Vorhof bildet, an dessen 4 Ecken sich die 4 Mi-
narets erheben. Einer davon heißt der Edelstein-Minaret, weil
nach einer Volksfage eine Menge Edelsteine darin eingemauert seyn