1. Bd. 2
- S. 163
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Osmanisches Reich.
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Der Vertrag kam zwar nicht zur Vollziehung, doch blieben die Serbier
im Besitze ihrer Rechte, und seit 1827 ist die Regentenwürde des Für-
sten Milosch erblich geworden, und in dem 1829 zu Adrianopel zwi-
schen Rußland und der Pforte abgeschlossenen Frieden wurde die Rück-
gabe der seit 1813 von Serbien abgerissenen sechs Distrikte und die
Erfüllung aller in den frühern Vertragen bewilligten Rechte bestimmt.
Die Pforte erließ daher 1830 einen Ferman, wodurch Milosch zum
Erbfürsten von Serbien erklärt wurde, der darauf sogleich die Huldi-
gung empfing. Die Serbier sind nun bis auf eine jährliche mäßige
Abgabe völlig von dem Türkischen Joche frei, die bisher davon ge-
trennt gewesenen 6 Serbischen Distrikte wieder mit Serbien vereinigt,
und binnen 3 Jahren müssen aus allen Städten und festen Platzen
Serbiens die Türken auswandern, mit Ausnahme der Stadt Bel-
grad, worin sie mit den Serbiern gemeinschaftlich zu leben verbunden
sind. So muß man also jetzt Serbien bloß als einen dem Osmani-
schen Reiche tributbaren, aber nicht unterworfenen Staat ansehen, mit
einer konstitutionellen, erblichen und monarchischen Regierung, und die
Serbier sind sonach wieder, gleich den Griechen, in die Reihe der
selbstständigen Europäischen Völker eingetreten, und ihre raschen Fort-
schritte in der Civilisation lassen erwarten, daß sie eine achtungswerthe
Stelle darin einnehmen werden. Krajujewaz ist die Residenzstadt
des Fürsten und der Sitz der Regierung. Die Civilliste des Fürsten
beträgt 240,000 Fl. Mit den wieder vereinten 6 Serbischen Distrik-
ten läßt sich jetzt Serbiens Größe aus 700 Hjmeilen annehmen,
worauf etwa 800,000 bis eine Million Menschen leben mögen.
In Serbien bemerken wir die Stadt Passarowitz, bei den
Serbiern Po 16)arewaz genannt, welche 4 Stunden südöstlich von
Semendria und 2 Stunden von der Morawa (nicht an diesem Flusse),
in einer gut angebauten hügeligen Ebene liegt, und wegen des daselbst
1718 geschlossenen Friedens merkwürdig ist. Nachdem nämlich im
I. 1716 der damalige Deutsche Kaiser Karl Vi., als Verbündeter
der von den Türken angegriffenen Venezianer, welche damals die Insel
Eandia und Halbinsel Morea besaßen, in einen Krieg gegen die Türken
sich eingelassen und durch den berühmten Eugen die Türken in den großen
Schlachten bei Peterwardein und Belgrad gänzlich geschlagen, auch die
bedeutenden Festungen Belgrad und Semendria erobert hatten, so
suchten die besiegten Türken Frieden, welcher am 21. Julius 1718 zu
Passarowitz zu Stande kam, wodurch die Pforte an den Kaiser die Festung
Belgrad nebst einem beträchtlichen Theile von Serbien und Bosnien,
imgleichen das Temeswarer Banat und die Wallachei bis an die Aluta
auf 24 Jahre abtrat, und Morea im Besitze der Venezianer blieb.
Übrigens ist Poscharewaz nur eine kleine Stadt mit etwa 2000 E. Der
Fürst Milosch hat hier mehrere schöne Gebäude aufführen lassen, deren
rothe Ziegeldächer der Stadt einen freundlichen Anstrich von Wohlstand
geben. Der Fürst selbst residirt dann und wann eine Zeitlang hier,
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