1. Bd. 2
- S. 205
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Asien.
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Die Flach- und Tiefländer, welche an den Rändern des ge-
sammten Asiatischen Hochlandes liegen, sind vorzüglich: 1) auf der
Südseite Mesopotamien, die Syrisch-Arabische Wüste und Hindostan;
2) auf der Ostseite das Chinesische Tiefland, das sich am untern
Laufe der beiden Chinesischen Hauptströme Hoang-ho und Pang-tse-
Kiang ausbreitet; und 3) auf der Nordseite Sibirien, (mit Ausschluß
des östlichen Sibirien, das mit Gebirgsketten angefüllt ist) dieses größte
Tiefland Asiens, welches sich in einem kolossalen Maßstabe nach Lan-
gen- und Breitenerstreckung ausdehnt, von den nördlichen Rändern
des östlichen Hochasi'ens bis zur Küste des Eismeeres, westwärts vom
Ural begranzt, und eine Flache des einförmigsten Steppenbodens ist, in
deren jenseits des Polarkreises gelegenen Gegenden der Boden fast das
ganze Jahr hindurch gefroren ist, oder doch nur wenige Zoll von der
Oberflache unterwärts aufthaut. Große unzugängliche, den größten
Theil des Jahres mit Schnee und Eis belegte Moräste nebst vielen
sumpfigen Seen bedecken hier den Boden, der im Sommer an trock-
nen Stellen kaum etwas Gestrüpp und Moos hervorbringt. — An
seinem südwestlichen Ende, da wo die nördlichen Gränzgebirge des öst-
lichen Hochasiens und der Ural die große Lücke zwischen sich lassen,
hängt das Sibirische Tiefland fast ununterbrochen mit dem ausge-
dehnten Tieflande zusammen, dessen tiefste Stellen der Kaspische und
der Aralsee einnehmen und das man das Tiefland von Vorderasien
nennen kann. Ostwärts stößt es an das Alpenland Turkestans, süd-
lich an den Abfall des Paropamisus und des Plateaus von Khorassan,
und westwärts zieht es durch die Lücke zwischen dem Kaukasus und
Ural ans Asowsche Meer, über die Wolga an den Don nach Europa
hinüber. So weit dieses Tiefland zu Asien gehört, nimmt es einen
Flächenraum von 54,000 ss^M. ein, und begreift hier den größten
Theil von Turkestan, das Steppenland der Kirgisen und die Steppen
Orenburgs, Astrachans und Kaukasiens. Vorzüglich merkwürdig an
diesem Tieflande ist, daß es unter allen bekannten Tiefländern der
Erde das tiefste Niveau (wagerechte horizontale Fläche) hat, dessen tief-
sten Kessel der Kaspische und Aralsee *) einnehmen, und in welchem
ein beträchtlicher Theil des trocknen Landes (wahrscheinlich über 10,000
H3m.) zwischen der Kuma, dem Don, der Wolga, dem Ural, dem
Obtschei-Syrt, dem See Aksagal, dem untern Schon und dem Cha-
wat Khina (am Amu oder Gihon) tief unter der Oberfläche des Ozeans
liegt. Diese große Senkung der Erde wird um so wunderbarer, daß
unmittelbar daneben im S. die Gipfel des Kaukasus zu 16,000 und
im O. die Kette des Hindu-Kusch bis zu 20,000 F. aufsteigen.
Nirgends erscheinen auf der Erde Berghöhen und Tiefländer in so
auffallendem Kontraste.
*) Der Kaspische See liegt 300 und der Aralsee fast 200 F. tiefer als
die Flache des Meeres.