1. Bd. 2
- S. 219
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Russisches Reich.
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aus 3 Horden, der kleinen, mittleren und großen, von de-
nen sich die beiden erstem dem Schutze Rußlands unterworfen haben,
übrigens unter ihren eigenen Oberhäuptern völlig unabhängig leben.
Die dritte, die große Horde, welche aber eigentlich die schwächste ist,
steht unter Chinesischem Schutze und wird von den Geographen zu
Turkestan gerechnet. Nach den neuesten Angaben soll man die See-
lenzahl der ganzen Kirgisen-Nation auf 2 Millionen bis 2,400,000
anschlagen können, wovon die große Horde 373,000—450,000, die
mittlere 1 Million und die kleine 900,000 begreift. Die unter Russi-
schem Schutze stehende Kirgisen-Steppe erstreckt sich vom Uralflusse im
W., von den Gränzen der Russischen Gouv. Astrachan und Oren-
burg bis zu den Gränzen Sibiriens im N. und O. Auf der Süd-
seite, wo die Kirgisensteppe in die sogenannte freie Tatarei oder Turke-
stan übergeht, ist die Gränze zum Theil durch das Kaspische Meer,
den Aralsee und den Sir oder Sihon bezeichnet, zum Theil ziemlich
unbestimmt. Einige Gegenden der Kirgisensteppe sind nicht arm an
Weideplätzen und an Wasser, andere hingegen bieten den traurigsten
Anblick dar. Außer dem Salzgehalt des Bodens liefern auch die zahl-
losen Überreste von Meeresgeschöpfen, Konchylien rc. den Beweis, daß
die tiefern Gegenden dieser Steppen einst vom Meere bedeckt waren,
welches sich wahrscheinlich erst in den jüngsten Zeiträumen der Erdbil-
dung hier zurückgezogen hat. Ein großer Theil dieser Kirgisensteppe
gehört zu der großen Ecdsenkung Nordasiens (s. oben bei der Einleitung
Asiens). Bemerkenswerth ist die große Menge von Salzseen und der
außerordentliche Reichthum an Salz, welches theils als Steinsalz ge-
brochen wird, theils in den unzähligen Salzseen durch natürliche Kry-
stallisation, indem das Wasser verdunstet, sich erzeugt. Die Oberfläche
der Seen ist oft so mit einer Masse der schönsten und reinsten Salz-
krystalle bedeckt, daß man von Weitem ein Schneefeld zu sehen glaubt.
Doktor Tau sch er, ein Deutscher Arzt, der 1810 von Orenburg aus
den von da über 100 M. entfernten und 6 M. im Umfange halten-
den See Jnderskoi besuchte, versichert, daß die Menge des nur
allein hier von der Natur so wunderbar zubereiteten Salzes so groß
sey, daß vielleicht das Salzbedürfniß von ganz Europa damit befriedigt
werden könnte, wenn es anders die geographische Lage des Sees be-
günstigte; und da sich auf der Oberfläche, gleich den Jahreswüchsen
der Bäume, mit jedem Jahre eine neue Salzlage erzeugt, so wäre
eine Erschöpfung dieser Salzschätze wohl kaum jemals zu befürchten.
Die Kirgisen haben einen mittlern, mehr schlanken und hagern,
als untersetzten Wuchs, eine einnehmende Gesi'chtsbildung, platte Nase,
kleine Augen und Mund und große abstehende Ohren, sind kräftig
und gewandt und tragen ihren Körper gut, besonders zu Pferde. Sie
wohnen in geräumigen und reinlichen Filzzelten, worin oft mehr als
20 Personen Platz finden; 30, 50 und mehr solcher Zelte bilden ein
Aul (Dorf). Ein Reisender (Baron von Meyendorff) besuchte in