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1. Bd. 2 - S. 221

1837 - Eisleben : Reichardt
Russisches Reich. 221 Leben. Vornehmlich sind die Raubzüge gegen ihre Nachbarn, die Rus- sen und Bucharen so wie gegen die ihr Land durchziehenden Karawa- nen gerichtet. Sie rauben nicht bloß Waaren und Vieh, sondern auch Menschen, welche dann Sklavendienste bei ihnen verrichten müssen, übrigens aber gut gehalten werden, besonders wenn Hoffnung vorhan- den ist, ein gutes Lösegeld für sie zu erhalten. Die Karawanen pfle- gen daher den Schutz derjenigen Stamme, durch welche sie ziehen müssen, mittelst ansehnlicher Geschenke zu erkaufen und lassen sich dann sicheres Geleite geben, was sie aber dessen ohngeachtet nicht immer schützt; denn die Gastfreundschaft, welche die Kirgisen sich gegenseitig erzeigen, dehnen sie keinesweges auf Fremde und noch viel weniger auf Personen eines andern Religionsglaübens aus. Der Europäer, wel- cher ohne Eskorte durch ihre Steppen zu reisen wagen möchte, würde unvermeidlich in Sklaverei gerathen. Selbst der Muhamedaner von der Parthei der Sunniten, der ohne Freunde, ohne Schutz in die Hände der über den Islam wenig aufgeklarten Kirgisen fallen sollte, muß sich glücklich schätzen, wenn er nur ausgeplündert wird, ein Perser aber, oder jeder Schiite hat dasselbe Schicksal zu erwarten wie der Christ. Die ungestümen Bewohner des Kaukasus sind ihren Feinden in jeder Beziehung furchtbarer: aber bei ihnen werden doch wenigstens die Ge- setze der Gastfreundschaft geachtet, und ein Fremder ist in völliger Sicher- heit, sobald ihm ein Kaukasier Schutz gewahrt hat. Nicht so ist es hingegen bei den Kirgisen Horden. Gegen einander selbst sind die Kirgisen sehr gutmüthig und gast- frei; auch gehören ihre Dankbarkeit für empfangene Wohlthaten und ihre Achtung gegen das Alter zu den guten Zügen ihres Charakters. Ferner zeigen sie eine große Anhänglichkeit an ihr Vaterland oder viel- mehr an die Steppen, die sie bewohnen; sie ertragen lieber alle Übel, als daß sie die Stelle verlassen sollten, wo sie geboren wurden, und die Lebensweise aufgeben sollten, an die sie in der Steppe gewöhnt sind. So haben z. B. die Russen mehrere 1000 Zelte oder Familien der Kirgisen gezwungen, ihr Land zu verlassen und aufs Russische Ge- biet überzutreten; aber der größere Theil derselben hat trotz der Ruhe, deren sie im Russischen Reiche genießen, und des Wohlstandes, den sie dort erwerben, stets den Gedanken, in die Steppen zurückzukehren. Von den 7000 oder 8000 Zelten, welche in dem Gouv. Astrachan angesiedelt worden sind, ist fast der dritte Theil 1820 nach ihren Steppen zurückgekehrt. Als diese, indem sie den Fluß Ural überschrit- ten, zum erstenmal wieder den Fuß auf vaterländischen Boden setzten, hüpften sie voll Freude umher und küßten die Erde mit Begeisterung. Schirgagi der Sultan der mittlern Horde hatte lange Zeit als Russischer Major in St. Petersburg gelebt und war einer der vornehm- sten Personen am Hofe der Kaiserin Katharina Ii. gewesen. Wohl ließ sich voraussehen, daß er sich an die Bequemlichkeiten und Genüsse des Europäischen Lebens gewöhnt haben sollte und selbst an die künst-
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