1. Bd. 2
- S. 228
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asien.
Theil des Winters hindurch auf den Mooren (Tundras) Zugebracht
und mit dem Fange der wilden Thiere sich beschäftigt haben, um mit
den Russen zu handeln, die Jahrmärkte von Nischnei-Kolymsk, Jschigcr
und Anadyr. Der erste findet Ende Januars und Anfang Februars
in dem kleinen Orte Ostrowno oder Ostrownoje, 36 M. von
Nischnei-Kolymsk Statt. Hier ist nämlich auf einer Insel des Aniui-
flusses ein kleiner Ort erbaut, der aus der sogenannten Festung, d. h.
einem mit Pallisaden umgebenen Raume, auf dem ein Paar kleine
Hauser zur Beherbergung des Kommissars, einiger zur Zeit des Marktes
hieher geschickten Kosaken und zum Lokal der Kanzlei erbaut stehen,
einer hölzernen Kapelle und 20 bis 30 regellos zerstreuten Hütten be-
steht. Der gewöhnliche Umsatz auf diesem Markte belauft sich nach
hiesigen Preisen auf 200,000 Rubel. Es kommen hieher eine aus
ein Paar 100 Packpferden bestehende Handelskarawane Russischer
Kaufleute, deren Ladung vornehmlich auf Tschuktschen berechnet ist und
in Tabak, allerlei eisernem Geräthe, Kesseln, Beilen, Messern, Näh-
nadeln und bunten Glasperlen besteht. Überdies haben sie für die in
Kolymsk wohnenden Russen Thee, Zucker und einige andere Waaren
bei sich. Außer den Tschuktschen besuchen diesen Jahrmarkt auch die
verschiedenen Bewohner der umliegenden Gegend (das heißt hier zu
Lande ein Bezirk von 140 bis 210 Meilen), Jukagiren, Lamuten,
Tungusen, Korjäken, die theils auf Narten (Schlitten) mit Hunden,
theils auch wohl zu Pferde herkommen. Die Tschuktschen-Karawane,
ist mit Inbegriff der Weiber und Kinder 300 Personen stark. So
wie sie anlangt, schlägt sie ihr Lager in mehreren abgesonderten Grup-
pen von Zelten auf, dessen Ganzes eine dichte Reihe von Schlitten mit
Waaren, Proviant und feinem auserlesenen Moose zum Leckerbissen
für die Rennthiere bepackt, umgiebt. Ihre Zelte sind ziemlich geräu-
mig, aus weich gegerbten Rennthierfellen zusammengenäht, die vermit-
telst einiger dünner Stangen aufrecht gehalten und ausgespreizt wer-
den. Unter diesem Oberzelt (Namet), das oben eine Öffnung zum
Rauchfange hat, befindet sich ein eiserner Kessel, unter welchem Feuer
angemacht wird, und die eigentliche Wohnung, Po log genannt. Dies
ist ein 4eckiger, aus den feinsten-Fellen der Rennthierkälber doppelt
zusammengenähter großer Sack, welcher durch einige hineingestellte Stäbe
und Latten, in einen 4eckigen Kasten verwandelt wird, der aber so nie-
drig ist, daß man darin nur sitzen, oder auf den Knien Herumrutschen
kann, und der durchaus gar keine Öffnung für Lust oder Licht hat.
Um hinein zu gelangen hebt man den einzigen, unten am Boden be-
findlichen, nicht vernähten Zipfel der einen Seitenwand etwas auf, kriecht
auf allen Vieren durch die möglichst kleine Öffnung und stopft sorg-
fältig das Ende gleich wieder unter das Fell, welches den Fußboden
ausmacht. Zur Erleuchtung und Erwärmung des Pologs steht in der
Mitte ein ziemlich großer irdener Topf, in welchem Wallsischthran und
statt Dochtes, ein Büschel gedörrtes Moos brennt. Dies Feuer bringt
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