1. Bd. 2
- S. 244
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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A sien.
warm zu verzehren. Sie hegen einen tief eingewurzelten Haß gegen
alle Religionen außer der ihrigen, besonders aber gegen die der Europäer,
in Folge einer Überlieferung, daß die Europäer einst ihre Herren wer-
den sollen. Dieser Haß ist seit der Invasion der Franzosen noch ge-
wachsen, und der ärgste Schimpf, den ein Druse dem andern anthun
kann, besteht darin, wenn er zu ihm sagt: Möge dir Gott einen Hut
aufsetzen!
Nichts ist dem Drusen heiliger, als seine öffentliche Ehre. Ec
wird einen Schimpf übersehen, wenn bloß der davon weiß, der ihm
denselben anthut; ec wird sogar, wenn sein Vortheil ins Spiel kommt,
Schlage hinnehmen, wenn nur niemand Zeuge ist; aber für die ge-
ringste Beleidigung, die man sich öffentlich gegen ihn erlaubt, rächt er
sich mit der größtenwuth. Dies ist der hervorstechendste Zug im
Nationalcharakter. Öffentlich kann der Druse redlich erscheinen, allein
er laßt sich leicht zu einem entgegengesetzten Betragen umstimmen, wenn
er nämlich hoffen darf, daß dasselbe werde unentdeckt bleiben. Die
Bande des Blutes und der Freundschaft gelten nichts unter ihnen; sobald
der Sohn die Jahre der Reife erreicht hat, schmiedet er auch Komplotte
gegen den Vater. Es fehlt nicht an Beispielen, daß sie Angriffe auf
die Keuschheit ihrer Mütter gemacht, und gegen ihre Schwestern ist ein
solches Betragen so häufig, daß der Vater den erwachsenen Sohn nie
mit einer Weibsperson von der Familie allein läßt. Ihre eigene Re-
ligion gestattet ihnen, ihre Schwestern zu ehelichen; allein sie werden
von dieser Art Verbindungen dadurch zurückgehalten, daß sie den Mu-
hamedanischen Gesetzen zuwider sind. Ein Druse hat selten mehr als
eine Frau; allein er scheidet sich von ihr unter dem leichtesten Vor-
wand, und es ist hergebracht unter ihnen, daß wenn eine Frau den
Mann um die Erlaubniß bittet, auszugehen, und derselbe antwortet:
„Geh l" ohne hinzuzusetzen: „und komm wieder," sie dadurch geschie-
den ist. Auch kann sie zu ihrem bisherigen Mann nicht eher wieder
zurückkehren, als bis sie sich mit einem andern verehelicht hat und eben-
falls von ihm geschieden ist. Die Drusen sind, wie alle Orientalen,
sehr eifersüchtig auf ihre Weiber; jedoch wird der Ehebruch selten mit
dem Tode bestraft. Wird das Weib auf demselben ertappt, so wird
sie geschieden; allein der Ehemann scheuet sich, den Verführer zu töd-
ten; denn die Blutrache ist bei ihnen heilig und kann nur durch Blut
befriedigt werden, indem durch Geld keine Versöhnung bei ihnen zu
Stande kommen kann. Der beste Zug im Charakter der Drusen ist
die unverletzliche Heilighaltung der Gesetze der Gastfreundschaft, welche
ihnen verbietet, jemals einen Gast zu verrathen. Man hat nie Beispiele,
daß derjenige, welcher seine Zuflucht zu einem Drusen genommen, ver-
rathen worden wäre, so lange er sich bei ihm aufgehalten. Daher ist
der von den Drusen bewohnte Libanon ein Boden der Gastfreund-
schaft; wer ihn betritt, kann sich als in Sicherheit betrachten.
In Hinsicht der Religionskenntniß theilen sich die Drusen in 2