1. Bd. 2
- S. 254
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asien.
unterscheidet sie von den Türkinnen. Im eigentlichen Armenien tra-
gen die niedern Stande eine Art kurzer Jacke und sehr weite Hosen,
von selbst gewebtem braunen Wollenzeuge, mit rothen oder schwarzen
Schnüren besetzt. Eine kleine Mütze oder ein Turban bedeckt den
Kopf; hölzerne Sohlen, mit einem Riemen von ungegerbtem Leder be-
festigt, dienen statt der Schuhe. Die Verlobungen werden, wie bei an-
dern Orientalen, von den Eltern vollzogen, und oft schon zu einer
Zeit, wo die Kinder noch in einem zarten Alter, vielleicht gar noch
nicht auf der Welt sind. Dessen ungeachtet schildert man die Arme-
nischen Ehen als glücklich und der Ehebruch ist eine große Seltenheit.—
Die Armenier haben zwar ihre eigene Sprache, aber in dem gemeinen
Leben bedienen sie sich der Sprache des Landes, wo sie wohnen; in
ihren Kirchen haben sie übrigens ihre heilige Sprache, die nur von den
Priestern verstanden wird. Ihrer Religion nach sind die Armenier
Christen, theils nach dem Römisch-katholischen Ritus, theils nach einer
besondern Morgenlandischen Sekte (s. S. 80 I. Bandes). Doch sind
die letztern unversöhnliche Feinde von den erstem, wiewohl sie chuc eine
Nation bilden und dieselbe Sprache reden. Das Haupt der Armeni-
schen Kirche, welches Katholiko s oder Patriarch heißt, wird entweder
von seinem Vorgänger ernannt oder von einer Versammlung der Erz-
bischöfe und Bischöfe. Er ernennt die Erzbischöfe und Bischöfe. Die
bohen geistlichen Würden werden, wie in der Griechischen Kirche, stets
an Klostergeistliche verliehen. Die Bischöfe ernennen die Pfarrer, welche
meistens verheirathct sind. Die niedere Geistlichkeit ist im Allgemeinen
sehr unwissend, ihre Sitten sind aber ziemlich rein. Die Klöster für
beide Geschlechter haben gewöhnlich kein bestimmtes Einkommen. Wer
sich dem Klosterleben widmet, mtlß es auf eigene Kosten thun, denn
Vermächtnisse an die Klöster sind weder zahlreich noch bedeutend;
überhaupt ist die Armenische Geistlichkeit vielleicht armer, als jede an-
dere Geistlichkeit; denn sie lebt allein von den Almosen und Beitragen
der Frommen. Der Armenische Patriarch oder Katholikos hat feinen
Sitz in dem Kloster zu Etschmiazin, das aus 3 Kirchen besteht,
die mit einer Mauer umgeben sind, und wozu außer andern Gebäuden
auch ein Gasthaus mit sehr bequem eingerichteten Zimmern gehört, wo
an tausend Reisende logirt werden können. Dieses Kloster liegt in der
seit 1828 Russischen (vorher Persischen) Provinz Armenien, wo die
Armenier, so wie auch in den andern Theilen des Russischen Reichs
die Rechte von Bürgern besitzen und ihren Reichthum genießen kön-
nen, ohne zu befürchten, daß man sie dessen beraube, und können hier
auch hoffen, mit geringen Geldopfern Auszeichnungen und Titel zu er-
halten, wonach die Nation mit einer noch kindischem Begierde strebt,
als die Russen selbst.
Die Turkomanen oder Turkmenen, Truchmenen, sind
Stammverwandte der Osmanen und Türkischen oder unrichtig genannt
Tatarischen Ursprunges, und bewohnen, in eine Menge von Stammen