1. Bd. 2
- S. 287
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Turkestan.
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Turkestan.
Dieses Land hat seinen Namen von seinen Bewohnern, die größ-
tentheils zu dem Turk- oder Türkischen Volksstamme gehören, von dem
auch die Osmanischen Türken abstammen. Es heißt auch die D sch a-
gatai nach des berühmten Eroberers und Heerführers der Mongolen
Dschingis - Khan drittem Sohne, Dfchagatai, der nach seines Vaters
1227 erfolgten Tode, das jetzige Turkestan nebst der Chinesischen
Bucharei zu seinem Erbtheil erhielt, hier ein mächtiges Reich fristete
und dessen Nachkommen noch in mehreren Staaten des jetzigen Tur-
kestans Khane oder Beherrscher sind. Von alteren Geographen findet
man Turkestan unter dem Namen der freien Tatarei aufgeführt,
weil man jden Turkstamm für einerlei mit dem Tatarenstamm hielt.
Freie Tatarei nannte man sie zum Unterschied der unter Chinisischec
Herrschaft stehenden kleinen Bucharei, deren Bewohner auch zu
dem Turkstamm gehören.
Mit keinem Worte ist in der Geographie und Gefchichte fo viel
Verwirrung gewesen, als mit dem Worte Tataren. Bald bezeichnete
man mit diesem letztem Namen die verschiedenen Zweige des Turkstam-
mes *) bald die Mongolen. Die Verwirrung ist daraus entstanden,
daß man im Mittelalter den Völkern, welche von Dschingis-Khans
Abkömmlingen beherrscht wurden, den Namen Tataren gab, da doch
bloß ihre Fürsten von Mongolischer Herkunft, aber der Kern ihrer
Unterthanen und Heere achte Türken waren; und daß man die Turk-
dialekte zu der Tatarensprache zahlte, die als solche niemand kennt,
und die nichts Andres seyn konnte, als die Mongolische, weil Ta-ta
und Mongol zu einem Stamme gehörten; denn wie uns Ritter **)
zeigt, kommt der Name Tatar, der nach Einigen im 10ten oder nach
Andern im 12ten Jahrhunderte zuerst erscheint, von Ta-ta, einem
Volksstamme, der im Oten Jahrhunderte in den Chinesischen Annalen
zuerst aufgezeichnet ist, und ursprünglich im O. der Wüste Gobi und
am obern Amur wohnte; spater aber in das Gebirge Jn-Schan ver-
drängt wurde. Als im 13ten Jahrhunderte der berühmte Mongolen-
*) Es gehören dazu: 1) die Osmancn, die sich ungern Türken nennen
hören, weil dieses Wort aus Persisch Räuber bedeutet; 2) die Turk-
manen oder Truchmenen; Z) die Usbeken, die ihren Namen von einem
ihrer Fürsten Usbek, einem Abkömmling von Dschingis-Khan haben,
der sie von der Wolga, wo sie ihren ursprünglichen Wohnsitz hatten,
nach Turkestan führte; 4) die Karakalpakeno der Schwarzmützen; 5) die
Sibirischen Türken oder wie sie gewöhnlich genannt werden die Tata-
ren, in viele Zweige sich theilend. Auch gehören zu dem Turkstamme
folgende Türkische Völkerschaften, die durch Mischung mit Fremden,
wenigstens zum Theil, ihre ursprüngliche Körperbildung avcr nicht
ihre Sprache verloren haben, als die Nogayen (theils eigentliche No-
gayen, theils Basianen, theils Ekumyken), die Baschkiren, Meschtscher-
jaken, Kirgisen rc.
") Ritter: die Erdkunde von Asien. I. Band. Berlin, 1852.