1. Bd. 2
- S. 367
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Afghanistan.
367
Afghanen gehören in der Regel ein Paar weite Hofen von schwarzem
Baumwollenzeuge, ein Hemd mit weiten Ärmeln, welches bis an die
Knie hinabreicht, eine niedrige Mütze von schwarzem Seidenzeuge, mit
einem Deckel von Goldstoff oder hellfarbigem Tuch; ein Paar lederne Halb-
stiefeln und endlich ein großer Pelzmantel aus Schaffellen oder ein Über-
wurf von Filz, der nachlässig über den Schultern getragen wird. Die
Frauenspersonen haben ein feineres und weiter herabgehendes Hemd, bunte
weite Beinkleider, eine sehr kleine seidene, auch wohl mit Gold gestickte
und bunte Mütze und über derselben ein großes Tuch, welches zugleich
als Schleier dient. Das Haar wird vorn gescheitelt und in 2 Zöpfe
geflochten, die dann in ein Nest zusammen gewunden werden. Rund
um den Kopf schmücken sie sich mir Goldstücken; außerdem tragen sie
auch goldene und silberne Ketten, Ringe und Ohrgehänge.
Da die Afghanen Muhamedaner (und zwar Sunniten) sind, so
ist ihnen die Vielweiberei gestattet, indessen können nur die Reichern
von diesem Vorrechte Gebrauch machen. Sind in einem Hause meh-
rere Frauen, so pflegt diejenige Frau, welche der Mann zuerst geheira-
thet hat, den Vorzug vor allen übrigen zu haben und wirkliche Haus-
frau zu seyn, der die andern gehorchen müssen. Die letztem sind wie-
der von den Nebenweibern unterschieden, welche keine ehelichen Rechte
haben, und selbst, wenn sie dem Manne Kinder geboren, wieder ent-
lassen werden können. In Absicht jedoch auf die Rechte der Kinder
an die väterliche Erbschaft findet kein Unterschied Statt, ob sie mit recht-
mäßigen Frauen oder Nebenweibern erzeugt worden sind. Die Schei-
dung von den erstem kann nur dann erfolgen, wenn die bei der Ver-
heirathung gemachten gegenseitigen Geschenke wieder herausgegeben wor-
den sind. Bei den Reichern und Vornehmern führen die Frauen zwar
ein sehr angenehmes und vergnügenvolles Leben, werden aber in engem Ge-
wahrsam gehalten und dürfen sich nie unverschleiert zeigen. In den niedern
Standen genießen sie mancherlei Freiheiten und gehen auch ohne Schleier/
Die Afghanen sind sehr gesellig und veranstalten daher gern
häusliche Feste. Eine Veranlassung zu einem solchen freundlichen
Mahle giebt unter andern das Schlachten eines Schafes. Bei der-
gleichen Gesellschaften unterhalt man sich mit Geschichten und Mahr-
chen und singt allerlei Lieder. Die Jagd, ebenfalls eine ihrer lieb-
sten Unterhaltungen, wird in ganzen Gesellschaften betrieben. Bei
Hochzeiten und andern festlichen Gelegenheiten veranstaltet man Pferde-
rennen. Von Musik und Tanz sind die Afghanen nicht minder
große Freunde. Der Lieblingsranz, besonders bei den westlichen Stam-
men, heißt Attum und wird nicht, wie in der Regel bei andern
Völkern Asiens, bloß von eignen Tänzern oder öffentlichen Mädchen
aufgeführt, sondern die bei der Festlichkeit selbst anwesenden Personen
sind selbst die Tänzer. Man begleitet den Tanz mit Gesang oder
auch mit musikalischen Instrumenten. Uebrigens sind die Afghanen lei-