1. Bd. 2
- S. 369
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Afghanis! sl n.
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der trockenen Witterung in gutem Stande erhalten und sind von klei-
nen bedeckten Kanälen mit klarem Wasser durchschnitten. Bei Regen-
wetter aber giebt es keinen schmutzigern Ort als Kabul. Die Hauser
stehen dicht an einander, können aber keinen Anspruch auf Zierlichkeit
machen, und sind meistens 2 Stockwerke hoch und von Fachwerk und
Backsteinen erbaut, die man an der Sonne getrocknet hat. Einen
interessanten Anblick gewahrt der große Bazar, ein geschmackvoller, nahe
an 600 - F. langer und etwa 30 F. breiter Säulengang, der in 4
gleiche Theile getheilt ist. Bewundernswerth sind die Seidenwaaren,
die man hier ausgebreitet sieht. Abends zeigt sich dieser Bazar von
der vortheilhaftesten Seite, indem jeder Laden mittelst einer vor demsel-
den ausgehängten Lampe erleuchtet wird, was der Stadt das Ansehn
einer Illumination giebt. Merkwürdig ist die Menge von Laden, in
denen getrocknete Früchte verkauft werden. Im Mai kann man Trau-
den, Birnen, Äpfel, Quitten und Melonen, also von 10 Monaten
her kaufen. Die Läden der Schuhmacher und Eisenwaarenverkäufer
sind mit großer Zierlichkeit eingerichtet. Jeder Handelszweig hat seinen
besondern Bazar, und in allen herrscht Thätigkeit. Man sieht auch
Buch- und Papierhändler. Kabul liegt in einer schönen, gut ange-
bauten und bevölkerten Gegend, ist im Süden und Westen von hohen
Felsengebirgen umgeben und wird von dem Kabulflusse durchströmt.
Kaum hat man den Bazar verlassen, so befindet man sich auch schon
an den von Weiden-, Pappel- und Maulbeerbäumen herrlich beschat-
teten Uwrn dieses Flusses. Fast alle Wege um die Stadt herum lau-
fen am Rande von Wasserleitungen oder fließendem Wasser hin. Über
diese Kanäle führen Brücken, und über den Kabul 3 bis 4, die jedoch
nicht schön sind. Viele Gärten sieht man um diese Stadt herum, und
Kabul ist wegen der Schöllheit seiner Früchte berühmt, welche in groß-
ßer Menge nach Ostindien verführt werden. Seine Weinstöcke tra-
gen so reichlich, daß 3 Monate im Jahre die Trauben dem Vieh vor-
geworfen werden. Es giebt 10 verschiedene Traubenarten. Kabul ist
besonders berühmt wegen seiner Maulbeeren, und überhaupt gedeihen
hier sehr viele Baumfrüchte. Noch müssen wir des Rhuwasch oder
Rhabarbers von Kabul erwähnen, der vorzüglich ein Leckerbissen der
Einwohner im Monate Mai ist, und wild in den Gebirgen der Um-
gegend wächst. Die Eingebornen halten ihn für äußerst gesund und
gebrauchen ihn theils roh, theils kochen sie ihn als Gemüse. Wenn
derselbe zu Markte gebracht wird, sind die Stengel - etwa 1 F. lang
Und die Blätter gerade im Ausschlagen begrissen. Diese sind roth,
jene weiß; wenn die Pflanze über der Erdoberfläche zuerst sich blicken
läßt, schmeckt sie süß wie Milch, und ist dann höchst zart, mit zuneh-
mendem Alter aber wird sie stark und es werden dann Steine um sie
angehäuft, damit sie gegen die Sonnenstrahlen geschützt ist. Die Wur-
zel der Pflanze wird als Arzneimittel nicht gebraucht. — Etwa \
Stunde von der Stadt und auf der lieblichsten Stelle der Umgegend
Cannabich's Hülfsbuch. Ii. Band. 24