1. Bd. 2
- S. 371
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Beludschistan.
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Gegen ihre Oberhäupter sind die Beludschen sehr gehorsam. Ihre Woh-
nungen sind Zelte (G h e d a n s) aus schwarzem Filze oder grober Lein-
wand. Eine Anzahl solcher Ghedans bildet ein Tumun oder Dorf,
und die Bewohner mehrerer Tumuns einen Khail. Einige Stamme,
welche weniger dem nomadischen Leben ergeben sind, wohnen in Lehm-
hausern, die befestigte Ortschaften bilden. Andere haben nur im Win-
ter solche feste Wohnungen, den Sommer aber leben sie unter Zelten.
Der Beludsche ist im Allgemeinen, wenn es nichts zu rauben
und zu plündern giebt, trage und bringt wohl ganze Tage mit Nichts-
thun und Tabakrauchen hin. Auch das Kauen des Opiums und des
Hanfs ist sehr gebräuchlich, aber nie sieht man einen Betrunkenen.
Ihre Nahrungsmittel sind Kuchen von Weizen und Gerste, Reiß,
Datteln, Käse, süße und saure Milch, Fleisch, Zwiebeln, Knoblauch
und die Blatter und Stengel der Asa fotida. Ihre Kleidung besteht
aus einem groben weißen oder blauen Hemde von Leinwand oder Baum-
wolle, das um den Hals zugeknüpft wird und bis an das Knie reicht,
und aus weiten Beinkleidern, die entweder aus demselben Stoffe wie
die Hemden oder aus einem gestreiften Zeuge, Susi genannt, gemacht
sind. Auf dem Kopfe tragen sie eine kleine seidene oder baumwollene
Mütze, und wenn sie im Staate sind, darüber einen Turban, und um
den Leib eine Schärpe. Die Oberhäupter sind im Winter in ein
Ukalig, eine Art Kaftan von Zitz, mit Baumwolle wattirt, geklei-
det; der gemeine Mann wirft beim Ausgehen, einen von Ziegenhaaren
oder Wolle verfertigten Mantel um. Der Anzug der Weiber gleicht
dem des männlichen Geschlechts, und besteht in einem Hemde und sehr
weiten, entweder ganz seidenen oder halb seidenen und halb baumwollenen
Beinkleidern. Das Haar wird in Zöpfe geflochten und auf dem Schei-
- tel zusammen gewickelt. Beim Ausgehen verhüllen sie ihr Gesicht.
Selten nehmen die Beludschen, die sich zum Islam bekennen und
zwar sämmtlich zur Sekte der Sunniten gehören, mehr als 1 oder 2
Weiber; die Oberhäupter höchstens 4; sie behandeln sie mit Aufmerk-
samkeit und Achtung, erlauben ihnen aber nicht, sich öffentlich zu zei-
gen; zugleich unterhalten sie eine große Zahl von Sklaven und Sklavin-
nen. Bei den Heirathen wird ein Verlöbniß gemacht, wobei die Ge-
schenke bestimmt werden, die der Bräutigam dem Vater und dieser dem
Bräutigam giebt. Die Ehe wird von beiden Seiten treu gehalten
und selten kommt ein Beispiel ehelicher Untreue vor. Wenn der Mann
einer jungen Frau stirbt, so ist der Bruder verpflichtet, die Wittwe zu
heirathen. Die Vergnügungen der Beludschen bestehen in der Jagd,
der sie leidenschaftlich ergeben sind, in Leibesübungen, als Ringen,
Fechten, Spießwerfen und Scheibenschießen, vorzüglich in einem Speer-
spiel und in einem Nationaltanze, der aber bloß von Männern getanzt
wird. Ihre Waffen sind Flinten, Spieße, Schwerter, Dolche und
Schilder, wovon die besten aus dem Auslande eingeführt werden.
Die Brahus, der zweite Hauptstamm der Beludschen, sind
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