1. Bd. 2
- S. 379
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Belud sch ist an.
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heißen. „Ich wurde, erzählt er, von den Khans, die mir entgegen
geschickt worden waren, mit großer Artigkeit empfangen. Sie umarm-
ten mich einer nach dem andern auf freundliche Weise und hielten
nach einer Unzahl von Komplimenten und Begrüßungen eine Rede an
mich im Namen der Amirs. Am 10. November hielt ich meinen
Einzug in Hydrabad. Kaum bin ich im Stande, eine Beschreibung
zu geben von der außerordentlichen Bewegung und den mannigfaltigen
Szenen, die sich meinen Blicken darboten. Gewiß über 12,000 Men-
schen waren versammelt, um mich vorüberziehen zu sehen. Das Ge-
dränge war so groß, daß wir nicht durch die Menge konnten, trotz der
Anstrengung der Sindischen Soldaten, welche die flache Klinge nicht
sparten, um uns einen Weg zu öffnen. Nach unerhörten Anstrengun-
gen, halb erstickt bei einer Hitze, wie ich sie noch niemals empfunden
hatte, erreichten wir endlich die Festung von Hydrabad, die den Amirs und
ihrer Familie zur Wohnung dient, und man kündigte mir an, daß ich
ihnen unmittelbar vorgestellt werden sollte. Man ließ mich in einen
großen geschlossenen Raum eintreten, dessen umgebende Mauern auf
allen Seiten phantastisch mit Gemälden und der Grund mit reichen
Persischen Teppichen bedeckt war. An dem einen Ende zeigten sich
3 gewölbte Thüren mit Vorhängen von grünem Seidenstoff. Bevor
ich mich noch von den raschen Eindrücken erholen konnte, wurden mir
die Stiefel ausgezogen, die Vorhänge auf die Seite genommen — und
ich stand vor den Amirs. Der Anblick war glanzend. Die ganze
Familie der Fürsten war um sie versammelt und ich habe niemals ein
Schauspiel gesehen, das eine so gute Vorstellung von den Wundern
der Feenmährchen zu geben vermochte, als dieses. Eine Gruppe reich
gekleideter Personen bildete einen Halbkreis im Hintergründe dieses
großen Saales, in dessen Mitte man die beiden Amirs auf ihrem
Musnud (Thron) erblickte, der aus einem nicht hohen Kissen von weißer
goldgestickter Seide auf einem Dreifuß von massivem Golde bestand.
Andere Kissen von rothem-Sammet, ebenfalls mit Gold gestickt, bilde-
ten die Rücklehne des Thrones. Die Söhne und Neffen der Amirs
standen um den Musnud umher. Einige Schritte weiter standen die
entferntem Verwandten der Fürsten und hinter diesen eine Menge
reich gekleideter Hofleute, welche die Degen und Schilder der Fürsten
in ihren Händen hielten. Der Geschmack und die Sauberkeit der
Kleidungen waren überraschend; es war kein buntes Gepränge mit
Flittergold und Scharlach, kein Gemisch von Überladenheit und Schmutz,
wie an den Höfen der meisten Hindus-Fürsten; im Gegentheil eine
gewisse einfache, würdige Eleganz. Die Kleidung der Amirs unterschied
sich wenig von der ihrer Hofleute. Es waren Tunikas von feinem
weißen Musselin, schön gelegt und gefaltet, mit Schärpen von Seide
und Gold und weite Beinkleider von dunkelblauem Seidenstoff. Ihre
Mützen bestanden aus Goldstoss oder gesticktem Sammet. Ein nach-
laßig über die Schultern geworfener Kafchmir-Schawl und ein Persischer