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1. Bd. 2 - S. 433

1837 - Eisleben : Reichardt
Ostindien. 433 fungen mancher Schriftsteller hervorgerufen, welche nur von demjenigen Theile des Volkes, unter welchem sie eine Reihe von Jahren zugebracht haben, sich ein Urtheil bilden konnten: der eine Theil erhob die Hin- dus bis zu den Wolken und stellte sie als Muster jeder Tugend, dis den Menschen schmücken kann, aus — der andere schilderte sie als eine sklavische, lügenhafte, grausame, verräterische, unzuverläßige und un- dankbare Nation. Die Wahrheit liegt, wie in den meisten andern Fallen, in der Mitte; sie besitzen gute, aber auch schlechte Eigenschaf- ten und sind von Natur ein sanftes, gefälliges und verständiges Volk, mäßig, sparsam, und wo sich die Gelegenheit darbietet, betriebsam und beharrlich. Vor starken Getränken haben sie einen natürlichen Abscheu. Ruhe und Sanstmüthigkeit ist der herrschende Zug in ihrem Charakter; heftige Ausbrüche von Zorn und andern Leidenschaften sind selten und werden von ihm mit Erstaunen und Widerwillen als eine Art von Rausch betrachtet. Ihre Energie äußert sich hingegen in einer stand- haften Anhänglichkeit an alten Gewohnheiten; in Andachtsübungen zeigen sie die nämliche Beharrlichkeit wie in mechanischen Beschäftigun- gen; in allem, auch bei Mißhandlungen eine kalte, unbogränzte Ge- duld, in ihrem Verhältnisse zu den Mächtigern Feigheit und Sklaven- sinn, in Politik und Handel Schlauheit und Feinheit. Die schlechten Seiten ihres Charakters sind theils Folge des Klimas, der Religion und des Kastengeistes, theils des Despotismus, unter welchem sie sehr lange geschmachtet haben und zum Theil noch schmachten. Seit Verbreitung der Brittischen Herrschaft ist mancher Fortschritt zum Bessern geschehen; so z. B. ist die sklavische Abhängigkeit der untern Klassen von den höhern sehr vermindert, die Menschenopfer sind abgeschafft, dem Kindermorde Schranken gesetzt und die furchtbare Sitte, die Wittwen zu verbrennen- gänzlich aufgehoben worden, wiewohl man dabei gewaltigen Widerstand zu überwinden hatte. Seit den ältesten Zeiten theilen sich die Hindus in Kasten ab, die aufs innigste in ihre Verfassung verwebt sind. Keiner, der zu einer Kaste gehört, darf in die andere einheirathen oder zu einer andern Kaste übergehen, sondern muß stets der seinigen angehören. Es giebt 4 edle Kasten oder Stände, die Braminen, die Tschetris oder K sch a t- trias, die Waischis oder W assi er und die Schubers oder Sud ras. Außer diesen 4 edlen Kasten, die alle noch eine große Menge Unterabtheilungen haben, giebt es eine unedle oder verachtete Kaste, die der Parias. Die vornehmste aller Kasten sind die Bram inen, welche für so heilig gehalten werden, daß ihnen jedermann die tiefste Ehrerbietung erweist. Auch kann kein Bramine in peinlichen Fällen mit dem Tode bestraft werden. Eben so wenig darf ein Bramine mit jemanden aus einer andern Kaste unter einem Dache seyn, in seiner Nachbarschaft wohnen, mit ihm essen und trinken oder auch nur Speisen und Ge- tränke zu sich nehmen, die ein Nichtbramine zubereitet hat. Die Bra- Cannabich'ö Hülssbuch. Ii. Band. 28
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