1. Bd. 2
- S. 435
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Ostindien.
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fm unrein gelten, aber bloß nach willkührlichen Begriffen. So j. B. -
werden Schmiede, Goldschmiede, Weber, Maurer und Tischler als rein;
Schneider, Schuster, welche zugleich Gerber und wie die Fleischer auch
Henker sind, und viele andere als unrein angesehen. Den unreinen
darf ein Bramine, ohne sich selbst zu verunehren, keinen Unterricht er-
theilen, auch von ihnen sich kein Wasser zu den Abwaschungen reichen
lassen oder es aus demselben Teiche mit ihnen schöpfen, was bei den
reinen kein Bedenken hat. Niemand darf ein anderes Gewerbe trei-
den, als dasjenige, welches seiner Kaste und zwar der Unterabtheilung,
in der er geboren ist, angehört. Kinder müssen daher allemal das
Gewerbe ihrer Eltern fortsetzen, wie sehr auch Neigung und Fähigkeit
ten sie zu einem andern treiben möchten. Der Umgang mit Mitglie-
dern anderer Kasten ist nicht gestattet, am allerwenigsten das gemein-
schaftliche Speisen. Dieses Verbot des Zusammenspeisens steht mit der
religiösen Vorschrift in Verbindung, welche jedem Stande seine beson-
dere Kost anweist. Der Bramine darf nichts genießen, was gelebt
, hat, mithin weder Fleisch noch Fisch. Dem Krieger ist Hammel- und
Wildfleisch gestattet; auch einige andere in angreifender Beschäftigung
lebende Stande essen Fleisch; im Allgemeinen ist solches aber den nie-
dern Standen untersagt. Dagegen sind ihnen Fische erlaubt, die dort
sehr häufig und Wohlsein sind, zumal in der Jahreszeit, wenn die
ausgetretenen Flüsse die Neißfelder bewässern, wo man sie mit Hand-
netzen in Menge fangt. Die Hauptnahrung der Hindus besteht in
Reiß, Milch und der Frucht des Kokosbaums. Auch Kartoffeln wer-
den jetzt auf den hochliegenden Feldern gebaut und sind eine willkom-
mene Nahrung. Neben dem Reiß haben die meisten Hindus ein Lieb-
lingsgericht Karri, welches aus Fleisch oder Fischen, verschiedenenen
Gemüsen und Gewürzen besteht und selbst von Europäern gern gegessen
wird. Rind- und Kalbfleisch ißt kein Hindu, weil es ihm heilige
Thiere sind. Beim Essen sitzt er niedergekauert, ohngefahr wie die
Affen und Hunde, auf Teppichen, Kissen oder Matten und bedient
sich dabei weder der Messer, Gabeln und Löffel, noch' der Servietten.
Statt der Schüsseln und Teller dienen große und platte Baumblatter,
besonders von Bananen. Sowohl vor als nach dem Essen wascht man
sich und überhaupt herrscht große Reinlichkeit. — Jede Kaste wacht
auf Beobachtung der Vorschriften und insbesondere auf Erhaltung ei-
nes reinen Geblütes, zu welchem Behufe genaue Register über Gebur-
ten, Ehen und Todesfälle geführt werden. Indessen geht es der Ka-
steneintheilung wie allen zweckwidrigen Einrichtungen in der Welt; sie
lassen sich nicht in ihrer ganzen Strenge durchführen und erleiden da-
her manche Ausnahmen. Man sieht z. B. Brammen das Feld pflü-
gen oder auch als gemeine Soldaten im Heere dienen; dennoch ver-
läßt sie der Stolz ihres Standes nicht. Auch die Vorschriften im
Betreff der Speisen werden häufig überschritten. — Durch Mißhci-
rathen und andere Vereinigungen sind im Laufe der Zeit aus diesen
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