1. Bd. 2
- S. 454
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asien.
aber die auf der linken Seite des Setledsch in der Provinz Delhi gele-
genen kleinen Sikhsstaaten sind den Britten unterworfen und ihre Für-
sten Vasallen derselben.
Calcutta ist die Hauptstadt des Brirtischen Indiens, die wich-
tigste Handelsstadt ganz Ostindiens und überhaupt eine der größten
Städte Asiens, indem sie 7 bis 800,000 Menschen zahlt. Ja ein
neuer Reisender giebt ihr eine Million Einwohner. Und diese so große
Stadt ist etwa seit etwas langer als einem Jahrhunderte gegründet.
1717 lagen nur 2 Dörfer in Waldungen am Huglistrom, an dersel-
den Stelle, wo jetzt das Fort William steht; und selbst 1752 lag das
gegenwärtig prachtvollste Quartier der Stadt nebst der Esplanade noch
mit dichter Waldung und grünen Wiesen bedeckt und zeigte nur hier
und da eine Erdhütte, wo jetzt Reihen von Pallästen stehen. Hat man
die 20 M. weite Fahrt auf dem Hugli (dem westlichen Arme des
Ganges) vom Meere zur Hauptstadt zurückgelegt, und befindet sich
Champul Ghaut gegenüber, was für alle Europäische Schiffe der Lan-
dungsplatz ist, so zeigt sich diese große Hauptstadt in ihrer ganzen Pracht
und Herrlichkeit, indem sie sich am östlichen Ufer in einem ungeheuern
Halbkreise hinzieht. Das erste, was man erblickt, ist das große und starke
Fort William, dessen mächtige, regelmäßige Werke über dem fluthen-
den Strome empor steigen. Weiterhin zeigen sich die ausgedehnten
Schiffsdocken und ein unübersehbarer Mastenwald. Noch höher hin-
auf, und bald tritt die Esplanade mit ihren Pallastreihen und herrli-
chen Baumgangen hervor. Endlich wird die ganze, ungeheuere, schim-
mernde Häusermasse der Stadt selbst sichtbar. Dazwischen erheben sich
unzählige, glanzende Thürme, Kuppeln, Minarets und Pagodenspitzen,
während der Hintergrund mit üppigen, grünenden Pflanzungen und
weißen zierlichen Landhäusern bedeckt ist.
Die Lage der Stadt ist keinesweges für die Gesundheit günstig,
die umher liegenden Waldungen und Sümpfe machten sie anfänglich
eben so ungesund wie Batavia, aber viele Wasser sind in Kanäle ge-
sammelt, große Strecken entwässert und die Wälder gelichtet, doch ist
die Südluft über die nahen Sunderbunds (siehe oben) der Atmosphäre
von Calcutta noch immer nachtheilig. Auch hindern die vielen kleinen
Teiche, Kanäle und Flußarme, die weiten Obstgarten, welche in einem
Kreise von fast 2 Stunden Breite nach allen Seiten die Hauptstadt
umgeben und die feuchten tropischen Waldungen der Ebenen doch noch
immer den freien Luftzug im schwülen Tropenklima zu sehr, um nicht
dadurch Krankheiten mancherlei Arten zu erzeugen, die bei der herr-
schenden Sitte der Hindus, ihre Leichen in das Gangeswasser zu wer-
fen, noch schrecklichere Verheerungen anrichten würden, wenn nicht der
stete Wechsel von Ebbe und Fluth die Faulniß der Stromwasser be-
siegte. Der schönste Stadttheil, das Quartier des Gouvernements und
der Vornehmen und Reichen, von Europäern bewohnt, in rechtlinigen
Straßen und Viertel vertheilt, besteht fast nur aus Pallastreihen, die