1. Bd. 2
- S. 455
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Ostindien.
455
im Griechischen Styl erbaut, mit Säulenhallen und Altanen geschmückt
sind. In dem großartigsten Style besonders ist der Gouvernements-
pallast, dessen Kosten 1 Million Psd. Sterling betragen haben sollen,
an der Esplanade erbaut, ein Hauptgebäude nebst 4 Flügeln, mit Säu-
lengangen, einer Kuppel und großen Sälen im Europäischen Geschmack
dekorirt, des Zweckes würdig, den es erfüllen soll. In einer Linie mit
diesem stolzen Gebäude steht eine Reihe anderer Palläste in äbnlichem
Styl, und giebt durch Glanz, Neuheit, Geschmack einen Anblick wie
keine andere Stadt. Diese Palläste sind zwar nur aus Ziegelsteinen
erbaut, aber mit Unem gipsartigen Muschelkalk belegt, der eine sehr
feine Politur annimmt. Auf diese Art scheinen sie ganz massiv zu
sein. Ihre platten Dächer sind mit zierlichen Geländern versehen.
Die Fenster sind groß, haben aber kein: Glasscheiben, sondern Jalou-
sien. Ganz das Gegenstück zu diesem Sitze der Europäer und der
Reichen ist das Quartier der Hindus oder die sogenannte Schwarze
Stadt, welche übrigens bei Weitem die größere Hälfte von Calcutta
einnimmt und eine ungeheure Bevölkerung, vielleicht f der Gesammt-
bevölkerung enthält. Sie besteht aus einem Labyrinth enger, winklicher,
schmutziger, ungepflasterter Straßen, die fast durchaus mit schlechten
Häusern und noch elendern Hütten besetzt sind. Ein Theil davon ist
aus Schilf- oder Bambusrohr, ein anderer aus Holz oder Lehm ge-
baut. Nur wenige sind mit Ziegeln, die meisten bloß mit Palmblät-
tern gedeckt. Demohngeachtet sind sie mit Menschen überfüllt, meistens
von einem bleichen, abgemagerten, dürftigen und halbverhungerten An-
sehen. Krankheiten, die stets im Gefolge der Armuth und Entbeh-
rung erscheinen, richten hier fortwährend ihre Verheerungen an, und
Tausende von Opfern unterliegen in jedem Jahre den gräßlichen Übeln,
die sich an die Dürftigkeit knüpfen. Zur Zeit, da die Cholera in der
Stadt herrschte, sollen einige Wochen lang täglich 700 Menschen, von
dieser schrecklichen Geißel heimgesucht, gestorben seyn. Auch sind hier
Feuersbrünste, so wie in Constantin opel, sehr häufig. Doch finden sich
auch in diesem Stadttheile einige erträgliche Straßen. Eben so zeich-
nen sich die schönen nach Englischer Art gebauten Hotels einiger reichen
Hindus, so wie die Häuser der reichen Englischen, Portugiesischen,
Persischen rc. Kaufleute durch Größe und Bauart aus.
Die Bevölkerung der schwarzen Stadt bietet ein sehr buntes Ge-
misch von den Nationen Asiens dar; hier sieht man Perser und Ara-
der, Einwohner der östlichen und westlichen Inseln, Hindus aus allen
Theilen Ostindiens, Chinesen und Tibetaner, endlich Einwohner von
Siam, Tunkin und Pegu, alle mit ihren eigenthümlichen Formen,
Trachten und Sprachen. — Ein großes, lebendiges, Asiatisches Völ-
kergemälde in der buntesten Vermischung und der regsten Beweglichkeit.
Jktzt die mannigfaltigen Figuren, die wechselnden Szenen und das
Getümmel auf einer der Hauptstraßen der schwarzen Stadt. Portu-
giesische Kapuziner und Englische Missionärs; >Maharattische Reiter-