1. Bd. 2
- S. 481
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Ostindien.
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Europäischer Annehmlichkeit und Geschmack verbunden. Von ihren
Priestern sind sie nur wenig abhängig und wenden die Zeit, welche den
Katholiken, den Hindus und Muhamedanern das Eeremoniel und die
Festtage kosten, auf das emsigste zur Arbeit an. Sie sind die besten
Handwerker und Fabrikanten in Bombai, der Großhandel und die
Wechselgeschäfte befinden sich.in ihren Händen; sie sind die ersten
Banquiers und Speditörs, die Herren der zahlreichsten Kauffahrtei-
schiffe und die besten Schiffbaumeister der Brittifch-Jndifchen Flotte.
Ihren alten Religionsgebrauchen sind sie treu, friedlich und nieman-
den beleidigend. Sehr sonderbar sind ihre Begräbnisse. An der Ma-
labar-Spitze (einer etwa Stunde weit ins Meer laufenden Land-
zunge), unweit des Ufers ist ihr Hauptbegrabnißplatz, der aus einem
runden Gebäude ohne Dach besteht, von ohngefähr 50—60 F. im
Durchmesser und 30 F. Höhe. Das Innere dieses Gebäudes senkt
sich sanft bis zum Mittelpunkte hinab, wo sich ein Brunnen befindet.
Unmittelbar um diesen Brunnen sind Vertiefungen, angebracht, wo
man die Leichname hinlegt, um sie von den Geiern verzehren zu las-
sen. Sobald die Knochen vom Fleische entblößt sind, kehren die Ver-
wandten zu dem Orte zurück und werfen sie in den Brunnen. Die-
ser wird zu gewissen Zeiten gereinigt und die Knochen dann ins Meer
geworfen. Die Leichenwächter geben genau Acht, welches Auge die
Raubvögel zuerst der Leiche aushacken. Ist es das linke, so ist der
Todte verdammt worden, ist es das rechte, so ist ihm jenseits ein
glückliches Loos beschieden. Die Parsen in Bombai haben 5 solcher
Leichenbrunnen; allein die Reichen unter ihnen halten ihre eigenen für
sich und ihre Familien.
Die weit größere Insel Salsette, welche im N. von der Insel
Bombai liegt und wie schon oben gesagt, mit derselben durch einen
schmalen Damm zusammenhängt, ist wenig angebaut und mit vielen
Waldungen bedeckt, und ihre Einwohner sind, obwohl dem Sitze der
Regierung so nahe, doch ganz wild und ärmlich eine eigene Kaste,
die von dem Kohlenbrennen in den Waldungen ganz zurückgezogen
lebt und in keinerlei Art der Vermischung oder Verbindung mit den
Hindus der Ebenen steht. Sie führen aus dem Innern ihre Kohlen-
ladungen an gewissen Stellen herbei, von wo sie von andern Hindus
weiter verladen werden, die ihnen dann an dieselben Stellen eine durch
das Herkommen schon bestimmte Zahlung an Reiß, Eisenwaaren rc.
hinlegen. Vorzüglich merkwürdig aber ist diese Insel wegen der alten
Höhlentempel von Kenn ery. Sie finden sich zwischen romantischen
Fels- und Waldbergen, sehr lieblich in einem Amphitheater von Ber-
gen, in deren Nahe Bananenbäume ihre weiten Schatten ausbreiten,
und liegen zerstreut an zwei Seiten eines Felsenzugs in verschiedenen
Höhen und von verschiedener Größe und Form; ihre Zahl, Lage, Bild-
werke und Inschriften machen sie zu den merkwürdigsten Denkmälern
des Indifchen Alterthums. Die größere Zahl der Felsgemächer, die
Cannabi'ch's Hülftbuch. U, Band. 31