1. Bd. 2
- S. 514
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asien.,
Groß-Lama, gleichfalls in Tibet, wird auch für einen ins Fleisch
gekommenen Buddha gehalten. Überhaupt glaubt man, daß mit jedem
Lama oder Hohenpriester die Seele eines Buddha verbunden sey. Die
geringern Priester heißen in Tibet und bei den Mongolen Gelongs,
deren es eine sehr große Zahl giebt.
Der Buddhaismus hat überhaupt in seinen Einrichtungen und
äußern Übungen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Katholizismus;
denn man findet bei den Buddhisten Oberpriestec, Patriarchen, welche
die geistliche Regierung der Provinzen leiten, einen hohen Priesterrath,
der in Versammlungen den Oberpriester erwählt und dessen Abzeichen
selbst denen unserer Kardinäle gleichen, Mönchs- und Nonnenklöster,
Todtengebete, Ohrenbeichte, Vermittlung der Heiligen, Fasten, Fußkuß,
Litaneien, feierliche Prozessionen, Weihwasser. — Die Sittenlehre ist
die schöne Seite des Buddhismus. Wiewohl in Indien, im Lande
der Kasten entsprungen, verwirft er allen Kastenunterschied und spricht
die Gleichheit der Menschen vor Gott aus, verfolgt von den Brami-
nen duldet er den Tod für seine Lehren. Kaum wird es eine christliche
Tugend geben, welche er nicht predigte, und die Liebe, welche er seinen
Bekennern vorschreibt, erstreckt sich nicht bloß auf die Menschen, son-
dern auch auf die Thiere und Pflanzen.
Fast in der Mitte des Birmanischen Reichs liegt am südöstlichen
Ufer des hier 2200 F. breiten Jrawaddystromes Ava, die jetzige
Haupt- und Residenzstadt dieses Reichs. Sie ist seit 1822 dazu er-
hoben, da früher die etwa 3 Stunden davon entfernte Stadt Amara»
pura diesen Vorzug hatte, und heißt eigentlich Aengwa, woraus
die Hindus, Malayen und Europäer Ava verdreht haben. In allen
offiziellen Urkunden des Landes wird sie R atanapur a d. i. die Ju-
welenstadt genannt. Sie breitet sich in einer reich bewässerten und
gut angebauten Ebene am mächtigen Jrawaddy aus und wird von
S. O. her von zwei andern kleineren schiffbaren Flüssen umflossen,
die durch einen Kanal mir einander in Verbindung stehen, so daß die
Stadt auf einer Insel steht. In der Nahe sieht man 5 Seen und
3 Stunden von der Stadt erblickt man eine Reihe von Vorbergen,
über die sich in weiterer Entfernung stufenweise drei hinter einander auf-
steigende Bergketten, von welchen die weiteste 30 Stunden entfernt
seyn mag, erheben. Alles Land bis zu jenen Vorbergen ist flache Ebene,
von fleißigen Landleuten überall mit Reißfeldern bebaut, die hier dop-
pelte, auch wohl in günstigen Jahren dreifache Erndten geben, indem
die künstliche Bewässerung aus jenen 5 Seen die Fruchtbarkeit des
Bodens ungemein erhöhet. Auf der andern Seite des Jrawaddy, im
N. W., Ava gegenüber liegt Chagaing oder Sagaing, eine
, große Stadt zwischen Obsthainen, Anhöhen hinauf gebaut, voll Tempel
und Klöster. Dicht hinter Sagaing steigen aus Marmor bestehende
Berge auf, welchen gegenüber oberhalb Ava sich ein Vorgebirge erhebt,
das mit ihnen eine Stromverengung bildet, zwischen welcher der Jra«