1. Bd. 2
- S. 543
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Java.
i '543
unverdrossen und gutmüthig, dabei streitbar und muthig. Weil er nur
an den Umgang mit den Eingebornen gewöhnt ist, so scheut er sich
zuweilen vor dem Europäer, besonders wenn dieser in weißen Battist-
kattun gekleidet ist. In solchem Falle ist dem Büffel nicht zu trauen,
und er kann mit seinen ungeheuern Hörnern und funkelnden Augen
auch wohl dem Herzhaftesten Schrecken einjagen. Unter der Leitung
eines Javaners hingegen ist er so fromm, wie ein Lamm, und laßt
sich von kleinen Kindern, die auf seinem Nacken sitzen, hin- und her-
führen und nicht selten spielend necken und schlagen. Sehr selten
wird derselbe von dem gutherzigen Javaner geschlagen und es besteht
zwischen dem Landmann und seinem Arbeitsthier eine besondere wech-
selseitige Zuneigung *). Meistens schon vor Sonnenaufgang ist der
Javane mit seinem Büffel auf dem Felde, um die kühle Morgenluft
zur Arbeit zu benutzen. Während der heißen Mittagssonne kehrt
er heim, badet sich und beschäftigt sich jetzt unter Dach, auf einer
Matte sitzend, mit Ausbesserung der Hausgerathschasten oder Verferti-
gung neuer, besonders mit Flechten von Matten und Körben aus Baum-
blättern und Bambus; oder mit anderer leichter Arbeit, bis daß ihm
der kühlere Nachmittag wieder die Fortsetzung der Feldarbeit gestattet.
So lebt der Landmann einfach, genügsam und im Ganzen glücklich
und zufrieden.
Überhaupt herrscht beim gemeinen Manne die schönste Familien-
Eintracht und das friedlichste Zusammenleben in der stillen Bambus-
hütte, und die Frau genießt von ihrem Manne vollkommene Achtung
und liebevolle Behandlung. Hier findet man nicht die sklavische Be-
handlung der Frauen, wie sie bei andern Völkern Asiens allgemein
ist; sie leben nicht abgesondert, sondern begleiten ihre Männer überall
hin und stehen mit ihnen auf vollkommen gleichem Fuße, indem die
häuslichen Arbeiten so vertheilt sind, als die Natur selbst solche ange-
ordnet zu haben scheint. Der Mann baut sein Feld, sorgt für den
Unterhalt seiner Familie und ist überall der treue Begleiter und Be-
schützer seiner Frau, welche sich ihrerseits den minder schweren Feldar-
beiten unterzieht; sie säet und pflanzt und hilft dem Manne einernd-
ten, und spinnt, webt und macht Kleider im Hause, besorgt die Küche
und pflegt als zärtliche Mutter ihre Kinder, die mit Liebe, Ehrfurcht
und Achtung, ohne Sklaverei an ihren Eltern hangen. Nur die Wei-
*) Als einen Beweis von der Anhänglichkeit des Büffels an den Men-
schen erzählt Olivier folgenden Vorfall: Ein kleiner Javanischer Junge
trieb seines Vaters Büffel wie gewöhnlich auf das Feld, hier sprang
er spielend umher, indeß sein Begleiter ruhig weidete. Aus'einmal
springt ein großer Tiger aus dem Busche und packt das Kind mit
hungerrgem Rachen. Kaum hört der Büffel das ängstliche Geschrei
des Kindes, so schießt er mit gefällten Hörnern auf den Tiger los,
durchbohrt ihn und schleudert ihn in die Luft, daß er leblos nieder-
fallt, und rettet also das Leben seines kleinen Führers, den er auf
seinem Nacken nach Hause bringt.