1. Bd. 2
- S. 563
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Borneo.
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lang herabhangenden Haaren in kauernder Stellung da saßen. Der
Häuptling empfing sie und geleitete sie zu seiner Familie. Braut und
Bräutigam suchten die Gefühle ihrer Herzen durch verschiedene nach
dem Takte der Musik abgemessene Bewegungen ihres ganzen Körpers
auszudrücken; jetzt erhoben die Männer ein wildes Geschrei, die Braut-
leute traten auf die Seite, die Reihen öffneten sich und zwei mit
Schwertern bewaffnete Dayaks brachten einen zu diesem Behufe ge-
kauften Sklaven in den Kreis geführt, welcher ununterbrochen zum
Tanzen aufgefordert wurde, wahrend seine Begleiter mit den tollsten
Sprüngen und Schwertschwenkungen sich um ihn herum bewegten.
Wie schwer es dem armen Sklaven wurde, den Anforderungen seiner
ihn umtanzenden und fortwährend den Tod drohenden Führer Genüge
zu leisten, konnte man an den schmerzlichen Verzuckungen seiner Ge-
sichtszüge sehen. Sein Kopf, so wie sein ganzer Körper war mit
Blumen und farbigen Federn geschmückt, seine Bewegungen drückten
Todesangst und Verzweiflung aus.
Kaum hatte dieses, den Wilden zusagende Vergnügen ^ Stunde
gedauert, als plötzlich der arme Sklave enthauptet zu den Füßen der
laut jubelnden, immer noch tanzenden Krieger sank. Ein Hieb hatte
den Kopf vom Rumpfe getrennt, das entströmende Blut wurde mit
dem größten Eifer, um ja kein Tröpfchen zu verlieren, aufgefangen,
unter die Versammlung vertheilt, und von jedem, auch das kleinste
Tröpfchen mit wilder Begierde ausgeschlürft. Selbst die wegen Kränk-
lichkeit bei dem Feste nicht Erschienenen, wurden nicht vergessen, denn
auch ihnen schickte man in kleinen Kokosschalen, einige Tropfen des
vergossenen Blutes. Wahrend der Zeit, daß mehrere sich mit Auffan-
gen desselben beschäftigten, hatten Andere Leber und Lunge herausge-
nommen, den blutenden Kopf mit seinen langen Haaren auf ein großes
Kokosblatt ausgestellt und den Körper den Überresten anderer auf die-
selbe Art Geopferter beigesellt. Mit Schaudern und Abscheu erfüllte
die Reifenden dies Schauspiel und nur die Furcht, durch Bezeigung
ihres Mißfallens den Haß der Eingebornen auf sich zu ziehen und ihr
eigenes Leben in Gefahr zu setzen, bestimmte sie, das Ende dieses Fe-
stes abzuwarten und ihre Äußerungen zurückzuhalten. Nachdem beson-
ders die Hauptpersonen des Festes sich mit Blut gesättigt und ihren
Liebestanz begonnen hatten, wurden Kokosschalen und Blatter mit Reiß
gefüllt und blutiges Ochsenfleisch herumgereicht und einige Töpfe voll
Chus (gegornes Getränk) unter lautem Jubel geleert. Auch den Rei-
senden wurde von diesen Erquickungen dargeboten, doch unmöglich war
es ihnen, auch nur das Geringste zu genießen; sie wünschten vielmehr
nichts sehnlicher, als in ihre Hütten zurückkehren zu dürfen. Nach
Verlauf von mehreren Stunden, nachdem alles, selbst die Lunge und
Leber des Geopferten mit Begierde anfgezehrt worden war, und die
ganze Gesellschaft tanzend und singend sich belustigt hatte, wurden
Braut und Bräutigam als förmlich zusammen verbunden anerkannt,
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