1. Bd. 2
- S. 585
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Chinesisches Reich.
standigt wurde, als er die Universalmonarchie des Reichs hergestellt hatte.
Nach einer andern Erzählung hatten schon vor ihm die Könige der
drei Nordprovinzen solche Mauern angelegt; aber er vereinigte sie zu
einer einzigen, im Zusammenhange von dem Golf von Leaotong am
gelben Meere bis zum Westende des Reichs, dem Hoang-Ho, in den
Jahren 214 bis 204 vor Christi Geburt. Spater ließ er sie noch weiter
im N. W. von dem Hoang-Ho bis zur Stadt Ssu-tscheu in der Pro-
vinz Kan-Ssü erbauen, so daß also diese Riesenmauer von der genann-
ten Stadt in Kan-Ssü an, längs der Norgränzen von Schan-ssi und
Pe-tsche-li bis zum Golf von Leaotong reicht. Diese berühmte Chi-
nesische Mauer, einzig in ihrer Art, als ein Werk menschlicher Hände,
zieht sich von den höchsten Gipfeln der Berge durch die tiefsten Thä-
ler und vermittelst der Bogengewölbe auch über Flüsse. Einer der
höchsten Berggipfel, über den die Mauer weggeht, ist über 5200 F.
hoch. Diese Mauer besteht eigentlich aus zwei Mauern, welche oben
breite Auszackungen haben; der Zwischenraum ist mit Erde und Schutt
ausgefüllt, der Grund derselben aus Quadern von Bruchsteinen, alles
Übrige aber aus großen gebrannten Backsteinen gemacht. Vom Grunde
bis zum Gipfel hat sie 26 F. Höhe und hält oben 14 F. in der
Dicke. In den Thürmen, die fast alle 100 Schritte errichtet und jetzt
ohne Besatzung sind, liegen in Haufen Kanonen von Gußeisen. Die-
ses Denkmal riesenhafter Anstrengungen ist zwar für die Reiterei der
Hirtenvölker in den Steppen unersteiglich; allein gegen 12pfündige Ka-
nonenkugeln würde sie nicht lange bestehen. Als der Russe Tim-
kowski *) im Jahre 1820 von Kjächta nach Peking reiste, passirte
er zuerst gerade an der Gränze von der Mongolei und China die erste
oder äußere Mauer und dann etwa 22 Meilen weiter, gegen 10 bis
11 M. noch von Peking entfernt die innere oder die eigentliche große
Chinesische Mauer, deren Hauptthurm Timkowski ganz eingestürzt fand;
auch das Thor war sehr schadhaft und in der Mauer waren an vielen
Orten bedeutende eingestürzte Stellen, die nicht ausgebessert werden.
Indessen ist jedoch diese Mauer noch immer besser erhalten, als jene
äußere und älteste von der ein anderer Reisender **) versichert, daß sie
jetzt fast nur aus einem sich weit hinziehenden Stein- und Schutthau-
fen bestehe, der von Strecke zu Strecke durch zerrüttete Wachtthürme
unterbrochen werde. Die zweite oder innere Mauer aber fand er fast
gänzlich erhalten, und nur hin und wieder sah man Spuren des Ver-
falls. Die 2 Thore, die durch die daselbst doppelte Mauer führen,
*) Timkowski Reise nach China durch die Mongolei in den I. 1820 u.
1825' auö 0em Russischen übersetzt von Schmidt. 3 Theile. Leipzig
**) Bunge, der die Russische Mission im I. 1830 und 1831 nach Peking
begleitete. Die Russische Regierung schickt nämlich alle 10 Jahre
nne Mission nach Peking, um die Geistlichkeit des dortigen Russischen
Klosters abzulösen.