1. Bd. 2
- S. 648
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asie n.
einer Anzahl kleiner Häuser, die mit einer Mauer umgeben sind. Jeder
Lama bewohnt sein Häuschen, das mit einem Betzimmer oder kleinem
Tempel versehen ist und unterrichtet daselbst seine Schüler, welche als
seine geistlichen Kinder betrachtet werden. Übrigens ist die Mongolische
Geistlichkeit unverheirathet und ihre Lebensart sehr strengen Regeln un-
terworsen. Sie theilt sich in verschiedene Klassen, jede mit eigenen
Namen. Nur die hohem Geistlichen führen eigentlich den Namen
Lamas.
Was die Regierungsform der Mongolei betrifft, so ist dieselbe in
eine Menge von einander unabhängiger Fürstenthümer getheilt, wovon
jedes seinen eigenen Füsten hat, die aber alle den Chinesischen Kaiser
als ihr Oberhaupt anerkennen. Überhaupt bemüht sich die Chinesische
Regierung schon seit langer Zeit die Theilung der Mongolei in beson-
dere Fürstenthümer zu erhalten; denn wenn alle unter-der Gewalt ei-
nes unternehmenden Chans vereinigt werden sollten, so würde das Chi-
nesische Reich in eine mißliche Lage kommen und der Gefahr ausgesetzt
seyn, von den Mongolen unterjocht zu werden, wie es schon früher
der Fall gewesen ist. Die Würde der Mongolischen regierenden Für-
sten geht erblich vom Vater allein auf den ältesten Sohn über. Die
Fürsten geben einen unbedeutenden Tribut an den Kaiser ab, wovon
sie aber den Werth zehnfach wieder erhalten, unter dem Vorwände
einer Belohnung für ihren Eifer als Unterthanen; auch empfangen sie
noch andere reiche Geschenke und auch gewisse Jahrgehalte, wodurch
also die Mongolischen Fürsten an das Chinesische Interesse gekettet
sind, und wohl schwerlich sich dem Chinesischen Szepter zu entziehen
sich entschließen werden, da sie dabei zugleich ihren eigenen Vortheil
finden. Überdies haben auch die Chinesischen Kaiser einige der Mon-
golsschen Fürsten, besonders die im Osten, näher bei der großen Mauer
lebenden, durch die Bande der Verwandtschaft an ihr Haus zu knü-
pfen gesucht, indem sie ihnen ihre Töchter, Schwestern, Nichten zur
Ehe geben.
Schließlich muß noch bemerkt werden, daß das Volk der Mongo-
len aus 3 Hauptstammen besteht, nämlich 1) aus den eigentlichen
Mongolen, wozu diechalchas- oderkhalkas- und dietscharai-
gol oder Schacra-Mongolen gehören; 2) aus den Ölöten
(Eleuten) oder Kalmücken, wozu auch die Dzungaren oder
Soongaren gehören *) und 3) aus den Buraten, letztere in Si-
*) Die Soongaren wurden 1757 von den Chinesen fast ganz vernich-
tet und ausgerottet oder zersprengt. Seitdem ist ihr Ländergebiet,
bei den Europäen unter dem Namen der Soongarei bekannt, zu einer
Chinesischen Granzprovinz umgcschaffen, welche von ihrer Lage auf der
Nordseite des Thian-Schan den Namen Thian-Schan-Pe-lu
führt und nebst dem im S. des Thian-Schan gelegenen Thian-Schan-
Nan-Lu oder der kleinen Bucharei des Gouvernement Jli oder
das Land der neuen Gränze hrißt, wohin auch die Verbrecher
aus China verbannt werden.