1. Bd. 2
- S. 662
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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A sien.
der durch die Räder umgedreht und die hineingelegten Gebekrollen hier-
durch geschüttelt werden, so wird dies als ihren Götzen eben so wohl-
gefällig betrachtet, wie wenn die Gebete wirklich von Andächtigen her-
gesagt worden waren. Man findet dergleichen Gebetwalzen nicht allein
in Tempeln, wo sie zuweilen 8 F. im Durchmesser groß sind, sondern
sieht sie auch häufig bei reichen Leuten, wie bei uns Uhren, in den
Zimmern hangen und aufgezogen fortrollen. Man tragt sie auch wohl
mit sich. Ein Reisender der neuern Zeit (Gérard) sah 1821 3 solche
Gebetwalzen, die vom Wasser in Bewegung gesetzt wurden. Die
größte derselben hatte 9 F. Höhe und 4^ F. im Durchmesser, war
mit Bildern und Charakteren bedeckt und stand in einem Tempel, der
eine Kuppel von Holz, mit Gebetfahnen auf den 4 Ecken hatte.
Eine offene Saulengallerie umlief das Gebäude und an den Säulen
waren 40 kleinere Gebetcylinder angebracht. Der große Cylinder, der'
in der Mitte eines Saales stand, wurde jeden Morgen 1^ bis 2
Stunden lang, bei Lampenschein so schnell wie möglich umgedreht, auch
öfter am Tage, in Gegenwart der Lamas, die zu dieser Gebetwalze
dann ihre Hymnen sangen und über jene in Bewegung gesetzten Ma-
schinerie noch Glocken, Becken, Trompeten, Muscheln als rauschende
Musik erschallen ließen. An einer Seite des Saales war eine Glocke,
an welche ein Schwengel der Gebetwalze beständig anschlug. Nach
diesen Glockenschlägen wird die Zahl der Umdrehungen berechnet und
eingeschrieben. — Man hat auch Gebetmauern, 12—15 F. lang,
6 F. hoch und 2 F. breit, an deren Seiten lange, mit Gebeten be-
schriebene Gebete in halb erhabener Arbeit angebracht sind.
H'lassa oder Lassa heißt die Hauptstadt Tibets, die hei-
lige Herrscherstadt und eine der merkwürdigsten Städte Asiens, früher
die Residenz der Könige von Tibet und seit der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts die Residenz der Dalai-Lamas, deren Einführung
sich aus dieser Zeit herschreibt, Sie liegt in einer großen und fruchtba-
ren, nach allen Seiten von Bergen umgebenen Thalebene, die sich 4
bis 5 Stunden von N. nach S. und 24 bis 30 M. von O. nach
W. ausdehnt und von dem Flusse Dzang-tschu bewässert wird, der
nach Aufnahme des die Stadt durchfließenden Flusses Ui-tfchu sich süd-
westlich wendet, um sich mit dem großen Flusse Paru-Dzangbo-tschu
zu vereinigen, welcher alsdann den Namen Dzangbo-tschu oder Dzangbo
erhalt und derselbe Fluß ist, welcher in Hinterindien unter dem Na-
men Jrawaody vorkommt und daselbst mit vielen Mündungen in
den Bengalischen Meerbusen des Indischen Ozeans sich ergießt. Was
man gewöhnlich die Stadt H'lassa nennt, besteht eigentlich aus meh-
reren kleinen von einander entfernten Flecken, in welchen die zahlrei-
chen Tempel und Klöster erbaut sind, die dieser Stadt ein so eigen-
thümliches Ansehen geben, und die sich sowohl durch ihre Größe als
Pracht auszeichnen. Die Privathäuser der Stadt sind zu beiden Sei-
ten des eben genannten Flusses zerstreut, meist aus rohen Bausteinen