1. Bd. 2
- S. 702
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Asien.
prachtvoll eingerichtet sind, wie fürstliche Pallaste. In Nangasacki,
einer Stadt von 70,000 Einwohner, sind 700 Theehäuser oder öffent-
liche Hauser, deren Bewohnerinnen jedoch, nach einer gewissen Zeit die
Aufnahme in die Gesellschaft rechtlicher Leute gestattet ist, und sie sollen,
wie man sagt, exemplarische Gattinnen und Mütter werden. Ein
Mann darf zwar den Gesetzen nach nur eine Frau nehmen; aber
sie verbieten ihm nicht, neben derselben noch so viel Kebsweiber zu hal-
ten, als es ihm beliebt und als d ernähren kann, doch übersteigt die
Zahl derselben selten zwei. Die erste und rechtmäßige Gemahlin leidet
darunter nicht immer, und häufig sieht man sie recht freundschaftlich
mit den andern Weibern ihres Gatten leben, die sie wie Schwestern
behandelt. Der Hausherr tragt übrigens Sorge, daß seiner Gattin
von seinen Kebsweibern, über die sie eine entschiedene Obergewalt übt,
und die ihr zu dienen verpflichtet sind, mit gebührender Unterwürfig-
keit begegnet werde. Die Heirathen werden in den Tempeln mit vie-
len Feierlichkeiten geschlossen. Bei der Bewerbung um ein Mädchen,
so wie bei der Verlobung und Hochzeit finden viele sonderbare und
zum Theil lächerliche Gebrauche Statt. Die Vornehmen zwar halten
ihre Frauen in den innern Gemachern ihres Hauses verschlossen, wo
nur die nächsten Verwandten Zutritt haben; doch bei den andern Stan-
den haben die Frauen mehr Freiheit, dürfen ihre Verwandten und
Freunde besuchen und sich in den Straßen und an öffentlichen Orten
mit unverhülltem Gesichte zeigen. Überhaupt sind die Japaner bei
Weitem nicht so eifersüchtig, wie andere Asiatische Völker, und die
Japanesischen Frauen behaupten dieselbe Stellung in der bürgerlichem
Gesellschaft wie die Europäischen; sie haben bei Festen' den Vorsitz und
sind die Zierde des häuslichen Mahles. Die Kunst, die Samsie oder
die Guitarre zu spielen, macht einen wesentlichen Theil der weiblichen
Erziehung aus; ein Griff in ihre Saiten giebt das Zeichen, daß alle
Förmlichkeit bei Seite zu setzen sey, und daß nun Thee, Sacki und
gesellige Heiterkeit an die Reihe kommt.
Der hervorstechende Charakterzug der gesellschaftlichen Ordnung in
Japan ist die erbliche Natur aller Ämter, Gewerbe und aller Verhält-
nisse des Lebens. Die Bevölkerung theilt sich nämlich in folgende 8
Klassen: Fürsten, Adel, Priester, Soldaten, Civilbeamten, Handelsleute,
Handwerker und endlich Ackerbauer. Unter allen diesen Klassen befin-
det sich nur ein Gewerbe, welches gleich den Parias (f. Band Ii.
S. 436) in Ostindien das Brandmal der öffentlichen Verachtung tragt,
und dies ist das der Gerber, mit denen aller Umgang verboten ist,
und unter denen jedesmal ausschließlich die Scharfrichter ausgewählt
werden. Die Fürsten oder D ñ m j o s der verschiedenen Provinzen von
Japan waren in frühern Zeiten Souveräne in ihren Gebieten, heuti-
ges Tages sind nur noch 4, welche als unabhängig betrachtet werden
können. Alle andern sind Gouverneure, welche die ihnen anvertrauten
Distrikte verwalten. Diese Fürsten haben so wie auch der Adel ihre