1. Bd. 2
- S. 778
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
778
A frisa.
in einem großartigen Style angelegt und so weitlauftig und aus-
gedehnt, daß die meisten mehrere tausend Mumien enthalten. Ge-
wöhnlich bestehen diese Hypogeen aus einer ?sct mitunter sehr schöner
und kostbarer Vorbau oder Vorhallen mit Hieroglyphen versehen und
aus allerlei Art geschmückt. Man gelangt gemeiniglich einige Stufen
abwärts in diese Vorsäle und dann zu einem breiten Eingänge mit
einer prachtvollen Arkade, welche in mehrere Säle führt, die 15—20
F. hoch und mit Pfeilern aus dem Fels selbst gehauen, unterstützt wor-
den sind. Zur Rechten sowohl als zur Linken dieser Säle findet man
tiefe Blenden, als Niederlagen der Mumien, Nischen, Schlupsgänge,
Pforten, die in tiefe Seitengänge führen, in welchen die sogenannten
Mumienbrunnen angebracht sind, d. h. tiefe und enge, senkrecht
eingehauene Schachte, deren Wände mit Malerei und Skulptur ver-
ziert sind. Sie nehmen die ganze Breite des Ganges ein, wo sie
sich unvermuthet vor dem Wanderer öffnen und von beiden Seiten
an den Wänden kaum einen Raum von 6 bis 8 F. lassen. Am
Ende des letzten Saales findet man oft Eingänge in Seitengänge,
welche mit breiten Treppen versehen und durch Halbpfeiler getheilt sind,
und durch die man in neue Gange, Säle und Bauten, in ganze
Labyrinthe gelangt. In dieser Todtenstadt wühlen die Todtenraubec
herum und haben daselbst die gräulichsten Verwüstungen angerichtet.
Überall liegen, bunt auseinander gehäuft zerbrochene Särge, einzelne
Glieder und verstümmelte Körper, die entweder die Habsucht (indem
man nach goldenen Zierathen suchte) oder die Neugierde dem Todes-
schlummer entriß. Diese alten Begräbnisse sind so oft ausgewühlt,
ausgegraben und wieder verschüttet worden, daß man jetzt unmöglich
mehr wissen kann, ob die Ausgrabung eines Brunnens zu einem dank-
baren Resultate führen werde. Äußerst selten entdeckt man jetzt ein
völlig unversehrtes Grab; denn hier hat man die schönsten Mumien
und die meisten Papyrusrollen, womit die Museen Europas' bereichert
sind, geraubt. Das aus dem linken Niluser gelegene Dorf Gurnjah
besteht großentheils aus dieser Todtenstadt, indem die Bewohner dessel-
den zum Theil diese unterirdischen Gemächer zu ihren Wohnörtern ge-
wählt haben und also wahre Troglodyten (Höhlenbewohner) sind. Sie
beschäftigen sich mit dem Aussuchen der Älterthümer, die sie den Rei-
senden verkauften, allein seit Kurzem ist ihnen von dem Pascha dieser
Erwerbszweig entzogen, da derselbe sich das Monopol aller Ausgra-
bung in ganz Ägypten zugeeignet hat.
Unter den bei Gurnah befindlichen Katakomben oder Grabmä-
lern ist eine der merkwürdigsten die unter dem Namen Springe
bekannte, deren Struktur von der aller bisher bekannten Grabgrotten
ganz abweicht. Diese ungeheure Aushöhlung, zur Grabstätte der Prie-
ster bestimmt, deren breite Gallerien weit in das Innere des Berges
dringen, gehört der glorreichsten Epoche Ägyptischer Kunst an. Nichts
kommt der bewundcrnswerthen Vollendung der Hierolgyphen gleich,