1. Bd. 2
- S. 819
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Berberei.
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blutigen Fetzen. Ich selbst sah, wie sie solchergestalt einen Hammel
zerrissen, man hat sogar gesehen, wie sie Esel fraßen. Überdies rüh-
men sie sich auch, alle Arten von Gift ohne Schaden berühren zu
dürfen, und treiben auf öffentlichen Platzen allerlei Gaukelspiel mit
Schlangen. Stoßen sie auf keine Thiere, so stürzen sie zuweilen über
Juden her; daher diese sich beim ersten Tone des furchtbaren Dudel-
sacks verkriechen. Auch Christen thun wohl, diesen Wüthenden aus
dem Wege zu gehen."
Zu den Vergnügungen der Mauren gehören auch verschiedene
Spiele, z. B. das sogenannte Pulverspiel, wobei sich die Reiter in
2 Haufen theilen, einer vom andern etwa 2 Flintenschüsse entfernt,
auf einem offenen und ebenen Platze. Sie stoßen hierauf ein dem
Angriffsrufe im Kriege ähnliches Geschrei aus, schicken von beiden Sei-
ten einige Reiter voraus, die im stärksten Galopp und mit der Flinte
bewaffnet reiten, sich ein wenig auf die Seite biegend, wenn sie ein-
ander begegnen, worauf sie gegenseitig die nur mit Pulver geladene
Waffe einander in die Seite oder auf den Rücken abfeuern. Zieht
nun jeder Trupp langsam den Seinen zu, um von Neuem zu laden,
so wird er von der entgegengesetzten Seite verfolgt und im Rücken an-
gegriffen, und so geht es fort, so lange sie Pulver haben. Ein ande-
res dieser Spiele heißt Hhadrun, wobei die Streiter sich halbmond-
förmig aufstellen und auf ein gegebenes Zeichen ihre Flinte, eine nach
der andern als eine Art Salve für irgend eine Person, die sie beson-
ders beehren wollen, abfeuern. Auch das Damen- und Bretspiel, so
wie Schach lieben sie. Begegnen die Mauren sich, so wiederholen sie
mehrmals ihren Gruß Salem alikom d. i. Friede sey mit euch;
bei den Christen aber begnügen sie sich mit dem Saläma d. i. Gruß.
Leute geringern Standes neigen sich und legen die rechte Hand auf
das rechte Knie, indem sie das Haupt nach einer Seite biegen; reitet
der Obere, so küßt man ihm Fuß oder Knie; vor dem Sultan aber
werfen sie sich hin und küssen den Boden. Personen gleichen Ranges
küssen einander den Kopf oder die Schulter und geben sich die Hand,
worauf jeder die seine küßt, während sie ohne Unterbrechung die Fragen
wiederholen: „Wie befindest du dich? Wie vertreibst du die Zeit?
Wie stehts mit dir?" worauf der andere erwiedert: „sehr wohl, oder
so, so." Übrigens sind die meisten Sitten und Gebräuche der Mau-
ren denen bcc. übrigen Arabischen und Muhamedanischen Völkerschaften
gleich. Auch die Blutrache ist bei ihnen herrschend, so daß man Mau-
ren sehr einträgliche Ämter hat verlassen sehen, um sich, viele Jahre
nach dem vorgefallenen Morde, in fremde Länder zu begeben, den Tod
eines Verwandten zu rächen, wenn sie durch den Tod anderer Fami-
lienglieder die nächsten Verwandten des Gemordeten geworden sind.
So wie bei den Orientalen und Muhamedanern überhaupt, so befinden
sich auch bei den Mauren die Frauen in einem unglücklichen Zustande.
In ihrem Harem eingeschlossen, bewacht und zu gleicher Zeit verachtet,
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