1. Bd. 2
- S. 906
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
906
Afrika.
wir dann noch eins Straße hinauf gedrängt zu einem Haufe, wo ein
Bote des Königs uns bar, eine fernere Einladung des Königs abzu-
warten. Hier sahen wir mit Entsetzen einen Mann mit großer Feier-
lichkeit an uns vorübcrführen, der geopfert werden sollte und noch vor-
her gepeinigt wurde. Seine Hände waren auf dem Rücken gebunden,
durch seine Wangen hatte man ein Messer gesteckt; ein Ohr war
abgeschnitten und wurde vor ihm hergetragen, wahrend das andere nur
noch an einem kleinen Stück Haut am Kopfe hing. Mehrere Wun-
den hatte er in seinem Rücken und unter jedem Schulterblatte stak
ein Messer. An einem durch seine Nase gezogenen Strick wurde er
unter Trommelschall fortgeführt.
Bald befreite uns jedoch die Erlaubniß, zum Könige zu kommen,
von diesem schrecklichen Schauspiele und wir kamen durch eine sehr
breite Straße auf dem Marktplatze an. Was wir nun sahen, über-
traf alle unsere Erwartungen. Eine fast \ Stunde längs Ebene war
von nie gesehener Pracht voll gedrängt. Der König, seine Vasallen
und Hauptleute strahlten aus der Ferne, umgeben von Begleitern jeder
Act, und vor ihm eine Masse von Kriegern, die ihn für uns unzu-
gänglich zu machen schien. Die Sonne strahlte mit einem Glanze,
der eben so wenig als die Hitze zu ertragen war, von den massiv gol-
denen Zierrathen zurück, die allenthalben uns entgegen glanzten. Mehr
als 100 Musikanten-Truppen ließen auf einmal, bei unserer Ankunft,
die Lieblingsstücke ihrer Hauptleute ertönen; Hörner schmetterten,
Trommeln wirbelten, metallene Instrumente ertönten und dann schwie-
gen sie eine Zeitlang vor den sanften Tönen ihrer Flöten, deren Ton
in der Thar sehr harmonisch war, und ein angenehmes Instrument,
gleich einem Dudelsack ohne Pfeife, begleitete dieselben. Wenigstens
100 sehr große Sonnenschirme, deren jeder wohl 30 Personen schir-
men konnte, wurden von den Trägern auf- und niedergezogen. Sie
waren aus fcharlachrothen, gelben und den hellsten Seidenzeugen ver-
fertigt und auf der Spitze mit Halbmonden, Pelekanen, Elephanten,
Fässern, Waffen und Schwertern von Gold noch besonders verziert.
Des Königs Boten mit goldenen Brustplatten geschmückt, mach-
ten uns Platz und wir begannen nun unsern Umzug. Bei jedem
Cabozir standen wir still, um ihm die Hand zu reichen. Die Cabo-
zirs befanden sich in ihrem schönsten Schmucke, von ihrem Gefolge
umgeben. Sie trugen kostbare Seidenkleider. An künstlich gearbeite-
ten Halsbändern von massivem Golde hingen von Mauren geschriebene
Sprüche des Koran in kleinen viereckigen Gehäusen von Gold, Silber
und seltsamer Stickerei. Ein Band von Gold und Perlen umgab
has Knie, von dem einige ähnliche Schnuren herabhingen. Kleine
goldene Reife, woran Goldmünzen, Ringe und Thiergestalten befestigt
waren, lagen fest um die Knöchel. Armbänder und unbearbeitete Stücke
Gold, so schwer, daß sie die Hand auf einen Knaben stützen mußten,
hingen von ihrem linken Armgelenke herab. Goldene und silberne