1. Bd. 2
- S. 935
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Inneres Süda frika.
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Wildnisse und Einöden Zurückgedrängten keine andere Wahl übrig,
als sich von der Jagd und dem Raub zu nähren und ihre Bedürfnisse
mehr durch Ausplündern ihrer Nachbarn, als durch ehrlichen Erwerb
und durch anhaltende Arbeit sich zu verschaffen; wodurch es denn da-
hin gekommen ist, daß seit 1774 bis aus die neuesten Zeiten durch
die sogenannten Kommandos, d. h. bewaffnete Aufgebote der Koloni-
sten, die Buschmänner systematisch als Raubthiere verfolgt wurden, in
der Absicht, sie gänzlich auszurotten. Um diese Grausamkeiten und
Unmenschlichkeiten zu beschönigen, wurden dann diese armen Busch-
männer als das verworfenste Volk, ohne alles religiöse und sittliche Ge-
fühl dargestellt und mit den abschreckendsten Farben geschildert. Allein
der unglückliche Buschmann, gedrängt in die unwirthsamste Gegend der
Erde, mißhandelt und aller Menschenrechte beraubt, ist in der That
nicht schlimmer, als jeder andere Menschenstamm unter gleichen trau-
rigen Verhältnissen seyn würde. Der schon öfters erwähnte Brittische
Reisende Burchell (spr. Bortschill), welcher auf seinen Reisen oft mit
den Buschmännern zusammentraf und ihre Kraals besuchte, und daher
mehr als jeder andere Reisende Gelegenheit hatte, sie kennen zu lernen,
fand sie auch bei Weitem nicht so verdorben, als sie gewöhnlich ge-
schildert werden. Er sagt zwar, daß ihre Verstandeskraft noch auf
einer sehr niedrigen Stufe stehe, daß ihre Lebensart der der wilden
Thiere gleiche, die mit ihnen zugleich das Land bewohnen, indem sie
keine andere Sorge zu haben scheinen, als wie sie sich und ihre Kin-
der erhalten wollen und betrachtet sie als ein aus der niedrigsten
Stufe der Menschheit stehendes Volk; indeß bemerkte er doch an
ihnen weder Stumpfheit noch Dummheit, sondern sie waren im Ge-
gentheil recht lebhaft und munter und legten in ihren Gesprächen häufig
Schlauheit und Scharfsinn an den Tag, und überhaupt schienen ihm
die bessern und erfreulichern Züge ihres Charakters das Übergewicht
über die schlechtem zu haben. Untereinander sah er sie Gastfreund-
schaft und Großniuth in einem hohen Grade üben, und gegen ihn
selbst zeigten sie sich zutraulich und freundschaftlich, so daß sie ihm
erklärten, es stehe ihm frei, ihr Land in jeder Richtung zu durchreisen,
und niemand würde ihm dabei Schwierigkeiten und Hindernisse in
den Weg legen. Dieses ihr Zutrauen entstand daher, weil sie hörten,
daß er nicht zu den Kolonisten gehöre, sondern bloß die Absicht habe,
mit ihnen in gutem Vernehmen zu stehen, und weil er jede Gelegen-
lieit benutzte, wo er sich ihnen wohlthätig beweisen konnte, sich in ihre
Sitten und Gebräuche fügte und mitten unter ihren Horden sich und
sein Leben ihren Handen anvertraute. Durch dieses Zutrauen und
durch seine freundliche Behandtung gewann er ihre Zuneigung im
hohen Grade und zwar um so mehr, weil sie bei keinem weißen Manne
so unzweideutige Zeichen der friedlichen Absichten gesehen hatten, son-
dern^ bist er diese gefährlichen Fremden bloß in bewaffneten Hausen in
ihr Land gedrungen toaren, wodurch sie ihnen zwar Schrecken, aber