1. Bd. 2
- S. 953
1837 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Madagascar.
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gebildeten Saiten stehen ohngefähr 1 Zoll weit auseinander, und ^neh-
men die ganze Länge zwischen den beiden Knoten des Bambusstabes
ein. Die Töne, welche man diesem Instrumente entlockt, gleichen dem
Klingen von Glöckchen.
Noch müssen wir Einiges von den Madegassen erzählen, die
auf der Ostküste, besonders in der Nahe der Insel Sainte Marie
und der Bai von Antangil wohnen. Diese theilen sich in 3 verschie-
dene Kasten, wovon die erste die der Führer oder Rohandrians,
die zweite die der freien Männer oder L oo h avo o h ita und die dritte
die der Sklaven ist. Die Rohandrias oder Führer regieren wie kleine
Despoten, deren Herrschaft zwar nur auf Gewohnheit ruhet, aber so
fest gegründet ist, daß kaum ein Beispiel gefunden wird, wo das Volk
sein Joch abzuwerfen gesucht hatte. Diese Rohandrians sind Abkömm-
linge der Araber und haben einige wenige Zeichen ihres Ursprungs
beibehalten, z. V. die Schrift ihres Stammvolks und einige Reste der
Muhamedanischen Religion. Zwar durch Eifersucht unter einander
getheilt, aber durch die Bande des Bluts und der Klugheit vereinigt,
suchen sie ihre Erbitterung gegen einander zu verbergen und benehmen
sich mit großer Umsicht gegen einander. In anderer Rücksicht zeigen
sie, in Trunksucht versunken und durch den Besitz ihrer großen Macht
verdorben, Beispiele von jedem Laster, und dennoch sind sie die Gegen-
stände der tiefsten, unverletzlichen Verehrung. Ein Madegasse wagt
kaum, den Namen seines Führers auszusprechen. Ein Rohandrian
ist ihrer Meinung nach ein von seinen Untergebenen so verschiedenes
Wesen, daß seine Augen, sein Mund und feine Glieder ganz andere
Namen führen, als dieselben Theile bei anderen Madegassen. Sie
allein haben das Recht ein Thier zu tödten und das Privilegium,
die Schreibkunst zu üben. Sonderbarer Weise ist auch in der Familie
der Rohandrians der Aussatz erblich und verbreitet sich unter ihnen,
ohne die andern Madegassen zu ergreifen.
Die freien Männer (Loohavoohita), welche die zweite
Kaste und die Masse der Bevölkerung bilden, sind die ursprünglichen
Bewohner des Landes und haben den größten Theil desselben in eige-
nem Besitz.^ Ihre Sitten sind sehr sanft, und bei ihnen findet man
viele Gutmüthigkeit. Sie sind in Dörfern vereinigt, die eine einzige
Familie machen, an deren Spitze der Älteste steht. Sie haben das
Recht, ihren Fichrer zu wählen und können, wenn sie mit ihrem bis-
herigen Führer unzufrieden geworden sind, ihren Lehnseid an einen
Andern übertragen, mögen auch ihre Ländereien im Gebiete des Füh-
rers liegen, den sie verlassen. Dies Privilegium ist das einzige, das die
Landessitten gegen die Tyrannei aufrecht halten.
Die dritte Kaste bilden, wie oben gesagt worden ist, die Sklaven,
wohin vorzüglich die Oontova oder Sklaven der Rohandrians gehö-
ren, und die im Grunde nur dem Namen nach Sklaven sind. Ihre
Sklaverei ist in der Wirklichkeit so gering, daß ein Herr auch nicht ein