1912 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Michael, Bappert, Hans, Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Gesteinshülle.
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seitliche Ausbreitung des Talraums aber führt zur Verringerung des Gefälls, zu
Krümmungen des Flußlaufs und zur Ablagerung der Sedimente, mithin zur Tal-
z u s ch ü t t u n g (Stadium Iii). Die Arbeit des Flusses bei der Umgestaltung des
Talquerschnittes ist also eine dreifache, eiu Sägen, Ausweiten und
Zuschütten.
Erhöhte Wasserzusuhr durch Steigerung der Niederschläge oder Vermehrung
des Gefälls durch Hebung des Bodens kann die bereits erstorbene Talbildung neu
beleben. Der Fluß bohrt sich dann in seine eigenen Sedimente ein, die als Ufer-
oder Gehängeterrassen zurückbleiben, und die ganze Arbeit der Talbildnng mit den
3 Stadien des Sägens, Ausweitens und Zuschüttens beginnt in einem tiefern Niveau
von neuem. Auf diese Weise entstanden die merkwürdigen Terrassensysteme
der Gebirgstäler; sie sind Zeugen alter Flußniveaus.
Die großartigste Ausbildung bekundet das Talphänomen in den Canons von Nord-
amerika mit den oft meilenbreiten Userterrassen und den bis zu 3000 m tiefen Schluchten.
Die Täler unserer großen Flüsse, z. B. der Donau, des Rheins, sind zusammengesetzt aus
Teilen von sehr verschiedenem Alter, und ihre Geschichte ist noch keineswegs ganz aufgehellt.
Jede Talform ist infolge der vertikalen und horizontalen Arbeit des fließenden
Wassers immer nur eine vorübergehende Erscheinung. Alle Talbildung strebt in
ihren letzten Zielen aus Abgleichung der Höhenunterschiede des Festlands hin.
Wasserscheiden. Die Grenze des Einzugsgebiets eines Tals und im weitern
Sinn auch eines ganzen Flußgebiets bezeichnet man als W a s s e r s ch e i d e. Es
liegt in der Natur der Talbildung, daß diese Linie keine dauernde sein kann. Viel-
mehr läßt sich ein ununterbrochener Kampf der Wasserscheiden gegeneinander nach-
weisen. Jugendliche Flüsse mit energischem Gefäll erweitern ihr Einzugsgebiet
auf Kosten der schwächern und zwingen diese zuletzt, ihren Bahnen zu folgen. So
greifen die fleißig arbeitenden Zuflüsse des Neckars immer tiefer in die Schwäbische
Alb ein und werden einst die obere Donau zum Rhein entführen, und ebenso sicher
werden die schönen Quellseen des Inn im obern Engadin einst eine Beute der Maira
und zum Gebiet des Comer Sees einbezogeu. Die südalpinen Flüsse arbeiten im
ganzen rascher als die nordalpinen, weil ihr Gefälle stärker ist.
Wenn zwischen zwei Flußsystemen die Wasserscheide an einer Stelle ganz ab-
getragen ist, so daß das Wasser von der Berührungsstelle nach zwei Richtungen
hin fließt, so entsteht eine Flußgabelung oder Bifurkation. Das großartigste
Beispiel einer solchen bildet der Cassiquiare zwischen Orinoco und Rio Negro in
Südamerika.
Unterirdische Erosion. Gewaltige, freilich schwer berechenbare Mengen ge-
löster Stoffe werden dem Festland ununterbrochen durch die Quellen und das
Grundwasser entführt, und zur mechanischen Arbeit des Wassers gesellt sich noch
die chemische. Durch diese unterirdische Erosion entstehen Höhlen, wie sie sich
besonders häufig in Kalk- und Gipsbergen finden, so die Adelsberger Grotte im
Karst, die Baumannshöhle im Harz und die zahllosen Höhlen im Jura. Einsturz-
beben (s. S. 15) sind häufig die Folge der unterirdischen Erosion.
An der Zerstörung des Festlands arbeiten fortgesetzt auch die Meereswellen
(Abrasion). So ist z. B. die Küste von Suffolk in England innerhalb weniger
Jahre um 16 m zurückgewichen, und die Küste der Nordsee von Holland bis Jüt-
land bietet zahlreiche Beispiele von der landzerstörenden Wut des Meeres.