1912 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Michael, Bappert, Hans, Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Europa.
Bevölkerung. Von den 130 Mill. Einw. Rußlands sind ungefähr 95 Mill. Russen,
zum größten Teil Großrussen oder Moskowiter, in geringerer Zahl Kleinrussen in
der Gegend von Kiew und Weißrussen im W. Das russische Reich ist hiernach zwar
kein national einheitlicher Staat, aber gegenüber der ungeheuren Masse der Russen
verschwinden die übrigen Bevölkerungselemente fast gänzlich. Diese umfassen
Polen, Litauer, dann Deutsche (an 2 Mill.), Rumänen und Griechen, ferner mon-
golische Stämme (Finnen im N.), türkische Stämme (Tataren, Kirgisen, Kalmücken,
Baschkiren) im O. und So. — Zwischen den obern Klassen und der Masse des Volks
bestehn große Unterschiede in Bezug auf Besitz und Bildung. Nach ihrem Bekenntnis
sind die Russen fast insgesamt Anhänger der griechischen, nichtunierten, orthodoxenz
Kirche.
Hilfsquellen. Ihre Hauptstütze findet Rußlands Machtstellung in dem Reichtum
des Landes an natürlichen Hilfsquellen. Obenan steht in dieser Beziehung der A ck er-
bau, der in günstigen Jahren y3 alles europäischen Getreides liefert und im Gebiet
der schwarzen Erde bei reichlichen Niederschlägen trotz der schlechten Bewirtschaftung
außerordentlich ergiebige Ernten abwirft. Ein Hauptgetreideland sind auch die sechs
Ostseeprovinzen. Rußland ist daher der erste Aüerbaustaat Europas. In
Westrußland ist auch die Flachs-, Rüben - und Kartoffelerzeugung
bedeutend. Wein wächst nur im S., besonders auf der Halbinsel Krim, dagegen
liefert Rußland mit Schweden das meiste Holz nach Mittel- und Westeuropa. —
Die V i e h z u ch t hat ihren Hauptsitz in den Steppen des O. und S., dann auch in
den Ostseeprovinzen. Große Erträge wirft die Geflügelzucht ab; die Ausfuhr
von Eiern steht unter den Exportartikeln mit in vorderster Reihe (1909:130 Mill. Mark).
Ertragreich ist ferner die Fischerei, besonders in der Wolga und im Kaspischen
Meer (Kaviar). Endlich liefert Nordrußland reichliches P e l z w e r k.
Auch durch seine Mineralprodukte aus dem Uralgebirge nimmt Ruß-
land eine wichtige Stelle ein. Es liefert unter allen Staaten Europas das mei st e
Gold und allein in unserem Erdteil Platin. Aber auch die Haupthebel der
modernen Industrie, Eisen und Kohle, fehlen dem Reiche nicht. Kohle
findet sich in der Umgebung von Moskau, am Donez und in dem an Oberschlesien
angrenzenden Teil von Polen.
Einzelne Zweige der Industrie, vor allem Baumwoll-, Woll-, Leder- und
Hüttenindustrie, haben sich schon zu bedeutender Höhe entwickelt. Die Hauptindustrie-
zentren sind Lodz, das polnische Manchester (400 000 Einw.), der D o n -
Donezbezirk (mit Hüttenindustrie), ferner Tula mit bedeutender Eisen- und
Stahlindustrie und Moskau (iy2 Mill. Einw.), der Hauptsitz der russischen Baum-
wollindustrie. Auch Warschau, die alte Hauptstadt Polens und drittgrößte Stadt
Rußlands (850 000 Einw.), ist Sitz einer lebhaften Woll-, Seiden-, Zucker- und
Maschinenindustrie. Hauptorte der Lederfabrikation (Juchten und Saffian) sind
Moskau, Kasan und Kiew.
Berkehr. Die Bedeutung St. Petersburgs (fast 2 Mill. Einw.) beruht
vor allem darauf, daß es durch Wasserstraßen ebensowohl mit der Nordrussischen
Tiefebene als mit dem obern Wolgagebiet, dem Hauptproduktionsbezirk Rußlands,
in Verbindung steht. Moskau wieder ist der Mittelpunkt eines weitverzweigten
i) Nichtuniert — nicht vereinigt (mit Rom); orthodox — rechtgläubig.