1896 -
Berlin
: Oehmigke
- Autor: Reinecke, Hermann, Berthold, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Regionen (OPAC): Berlin
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und Ravenna herbeischaffen lassen — stand der Marmorstuhl
Karls des Großen, der Erzthron des Reiches. Hier versammelten
sich die Großen aus allen deutschen Landen, erhoben Otto auf den
Thron und gelobten ihm unter Handschlag Treue aus immerdar und
Beistand gegen alle seine Widersacher. So huldigten sie ihm nach
alter Sitte auf fränkischer Erde als Karls des Großen Nachfolger
und König der Franken. Deshalb hatte Otto auch sein weites
sächsisches Kleid mit dem knappen fränkischen Gewände vertauscht.
Nur als Franke und auf fränkischem Boden, meinte man damals
und hat man noch lange nachher gemeint, könne der neue König
die Krone empfangen. In feierlichem Zuge, von den Herzögen,
Grafen und Herren begleitet, begab sich dann Otto zum Münster.
Wer nach Aachen kommt, wird dieselbe Kirche noch heute dort
sehen. In der Gestalt eines Achtecks steigt sie zu mächtiger Höhe
empor, und oben umkreist sie ein zwiefacher Umgang von Arkaden,
welche mit Säulen geziert sind; in der Mitte aber auf dem Boden
ist die Stelle bezeichnet, wo Kaiser Karl sein Grab gefunden. Die
Gänge oben erfüllte damals dicht gedrängt das Volk, das von weit
und breit zum großen Feste herbeigeströmt war. In dem untern
Raume aber erwartete der Erzbischof Hildebert von Mainz mit
allen Erzbischöfen, Bischöfen und Priestern, die sich eingestellt hatten,
den jungen König. Als dieser an der Pforte erschien, schritt er
ihm entgegen, den Krummstab in der Rechten, und führte ihn mit
der Linken bis in die Mitte des Münsters, wo Kaiser Karls Grab-
stein liegt und Otto von allen Seiten erblickt werden konnte. Hier
wandte er sich um und rief laut zu dem Volke: „Sehet, ich führe
euch Otto zu, den Gott zu eurem König erwählt, König Heinrich
bestimmt und alle Fürsten erhoben haben! Gefällt euch solche Wahl,
so hebet eure Rechte zum Himmel!" Alle erhoben die Hände, und
donnernd hallte es in der Runde: „Heil und Segen dem neuen
Herrscher!"
Daraus schritt der Erzbischof mit Otto bis zum Altare vor,
wo Schwert und Wehrgehenk, Mantel und Spangen, Scepter,
Stab und Diadem, die Zeichen der königlichen Würde, bereit lagen.
Zuerst nahm er Schwert und Wehrgehenk und sprach, zum Könige
gewendet: „Nimm hin dies Schwert und triff damit alle Feinde
des Herrn, Heiden und schlechte Christen! Denn darum hat dir